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Zahra Mohammadzadeh
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Frage von Sönke Q. •

Frage an Zahra Mohammadzadeh von Sönke Q. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Mohammadzadeh,

welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Eckpunkte eines erfolgreichen Integrationskonzeptes in Bremen?

Mit freundlichen Grüßen,
Sönke Quase

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr Quase,

ich danke Ihnen für Ihre interessante Frage. Meiner Ansicht nach ist einer der wichtigsten Eckpunkte für eine erfolgreiche Integrationspolitik, dass sich alle gesellschaftlichen Akteure den Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft stellen und trotz aller Unterschiede in politischen Tagesfragen prinzipiell nach gemeinsamen Wegen des interkulturellen Zusammenlebens suchen. Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, ist längst keine Definitionsfrage mehr, sondern demographische Binsenweisheit. In dem wir uns alle dieser Lebenswirklichkeit stellen, können die Probleme bei der Integration, angegangen werden. Der Dialog über Integration muss ein Dialog unter Gleichen sein. Eine Aufteilung in das „Wir“ der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Migrantinnen und Migrantenen als „den Anderen“ entspricht nicht der gesellschaftlichen Realität und ist nicht geeignet, Integration zu verwirklichen. Wir Grünen stellen uns eine zukunftsorientierte, offene Gesellschaft vor, die sich aus gleichberechtigten und verantwortungs- wie selbstbewussten Bürger/innen unterschiedlicher Herkunft zusammensetzt. Deshalb haben wir für unser Faltblatt zur Bürgerschaftswahl am 22. Mai das Motto "Nur mit dir" gewählt. In den Prozessen von Ein- und Auswanderung erlebt ein nicht unwesentlicher Teil der Migrantinnen und Migranten die Erfahrung wirtschaftlicher Not und der Verletzung ihrer Menschenrechte. Das ist kein neues Phänomen, aber der moderne rechts- und sozialstaatliche Anspruch fordert ein anderes Umgehen damit als in der Geschichte. Seit Jahrhunderten haben MigrantInnenen und Minderheiten zu wirtschaftlichem Erfolg und kultureller Vielfalt Deutschlands bei. Sie erfüllen heute wichtige Vermittlungsfunktionen für vielfältige gesellschaftliche Prozesse und stärken dadurch die wirtschaftliche und kulturelle Attraktivität Deutschlands. Das ist besonders für ein Land wie Bremen ein wichtiger Aspekt der gesellschaftlichen Vielfalt.

Im Zuge der Globalisierung bildet sich in der Mehrheitsgesellschaft und auch unter MigrantInnen und Minderheiten eine weit über die nationalen Grenzen hinaus agierende Schicht heraus. Diese grenzüberschreitende Gruppe in die kulturelle Vielfalt eines Landes zu integrieren, stellt eine wichtige ökonomische Ressource dar. In Zeiten globaler Wirtschaftsströme sind interkulturelle und multilinguale Kenntnisse und Erfahrungen auch ein wirtschaftlicher Wettbewerbsvorteil. Ein zentraler Eckpunkt grüner Integrationspolitik ist, den europäischen Rahmen im Blick zu behalten.

Wir verstehen Integration als Prozess, nicht als Zustand. Dazu gehört eine Neudefinition von Einwanderung und ihrer Wirkung. Migration ist nicht nur ein Ortswechsel, sondern ein transnationales, transkulturelles Phänomen. Diese Entwicklung ist ja auch keinesfalls auf traditionelle Migrantengruppen begrenzt. Insgesamt lebt, arbeitet und denkt die Gesellschaft immer stärker in grenzüberschreitenden Zusammenhängen. Ein moderner Integrationsbegriff stellt deshalb die Kriterien Anerkennung, Partizipation und Inklusion in den Vordergrund.

Häufig werden in einer Gesellschaft, in der die Kluft zwischen „arm“ und „reich“ immer weiter wird, ausgegrenzte Gruppen, deren der Gesellschaft als Ganzer abträgliches "Anderssein" klischeehaft vorausgesetzt wird, für Arbeitslosigkeit, fehlende Sicherheit und soziale Verunsicherung verantwortlich gemacht. Dagegen muss sich demokratische Politik und Überzeugung vehement wenden. Auch dies ist ein bedeutender Eckpunkt unserer Integrationspolitik. Partizipation kann sich nicht nur auf die Stellung des oder der Einzelnen beziehen. Es geht auch um Teilhabe an der gesellschaftlichen Meinungs- und Entscheidungsfindung. Es ist daher wichtig, den Anteil von Migrantinnen und Migranten in den Institutionen und politischen Gremien unseres Bundeslandes zu erhöhen, nicht zuletzt auch auf den Wahllisten der demokratischen Parteien. Nur wer vertreten ist, kann auch gestalten. Das öffentliche Leben Bremens weist in dieser Hinsicht bereits sehr gute Ansätze auf, die aber noch ausgebaut werden können. Abschließend möchte ich Sie ermutigen, weiter an diesem Thema "dranzubleiben" und sich vielleicht auch aktiv zu engagieren. Wenn alle oder möglichst viele mitmachen, kann Integration gelingen.

Mit besten Grüßen
Zahra Mohammadzadeh