Frage an Xaver Jung von Gerhard S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Jung,
da Sie in der Podiumsdiskussion an der TU geäußert haben, dass Sie sich für den Bildungsausschuss interessieren, hätte ich folgende Fragen zu diesem Themenkomplex an Sie:
Welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach gegen den Lehrermangel in Deutschland ergriffen werden, insbesondere auch bei der Ganztagsbetreuung?
Wie sollte die Qualität des Lehramtsstudiums langfristig gewährleistet und gefördert werden? Wie sollen Lehramtsstudierende die als LehrerIn benötigten Kompetenzen erlernen?
Wie sollte der Widerspruch zwischen Bildungsföderalismus und europäischem Hochschulraum gelöst werden?
Welche Maßnahmen sollten getroffen werden, um die bei der Umsetzung der Bologna-Reform entstandenen Missstände (Anwesenheitspflichten, wöchentliche "Hausaufgaben" in allen Vorlesungen, verstärktes "Bulimie"-Lernen, etc.) zu beheben?
An welchen Stellen sollte beim Hochschulpakt nachjustiert werden?
Mit freundlichen Grüßen,
Gerhard Schäfer
Sehr geehrter Herr Jung,
da Sie in der Podiumsdiskussion an der TU geäußert haben, dass Sie sich für den Bildungsausschuss interessieren, hätte ich folgende Fragen zu diesem Themenkomplex an Sie:
Welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach gegen den Lehr ermangel in Deutschland ergriffen werden, insbesondere auch bei der Ganztagsbetreuung?
Man muss das Thema differenzierter betrachten und auch zwischen den entsprechenden Schulformen unterscheiden. In Grundschulen und weiterführenden Schulen gibt es zwar ähnliche Ursachen für den Rückgang von Lehrkräften, allerdings sind die Maßnahmen u.U.andere. Es gibt verschiedene Ursachen, die zum Lehrermangel führen.
1. Geburtenstarke Jahrgänge erfordern mehr Lehrkräfte
2. Hohe Zahl an Pensionierungen (Stichwort: Generation swechsel)
3. Attraktivität des Lehrerberufs nimmt ab
4. Freie Wirtschaft liefert bessere Arbeitsbedingungen (trotz Vergünstigungen des Lehramts)
Als Maßnahmen gilt es den Punkten 1 und 2 durch überlegte Planung engegen zu wirken. Weder Die Geburtenzahlen dürfen ein Land überraschen, noch die Zahl der Pensionierungen. Besonders die Pensionierungen sind ja über 30 Jahre hinweg planbar und absehbar. In den Grundschulen hat man 7 Jahre Zeit sich auf die Jahrgänge vorzubereiten. Also hier gilt: Planen statt kurzfrist ig und nervös zu reagieren. Punkt 3, Attraktivität des Lehrerberufs: In den vergangenen Jahren wird es immer schwerer den Lehrerberuf so auszuüben, wie man es sich als Student vorgestellt hat. An der Uni (insbesondere bei LA am Gymnasium) wird man mit hoc hwissenschaftlichen Themen konfrontiert. In der Schulpraxis, muss immer mehr Zeit für erzieherische Maßnahmen, Maßregelungen und Disziplinierungen aufgebracht werden. Teilweise werden im Elternhaus die einfachsten Grundregeln des Verhaltens in der Gruppe n icht mehr „gelehrt“, sodass dies die Schule übernehmen muss. Zeit für „Fachwissen“ fehlt dann hier oft. In der Ganztagsschule übernimmt die Schule auch noch weite Teile der „Freizeit“, die sonst dem Elternhaus zugefallen wäre. Gleichzeitig wird öfter die S chuld beim Lehrer gesucht, als zu überlegen, ob vielleicht das eigene Kind Defizite aufweisst. Maßnahme: Mehr Wertschätzung für den Lehrerberuf. Geringere Klassengrößen ermöglichen für Lehrer und Schüler besseres Arbeiten. Zusammenarbeit mit dem Elternhau s intensivieren. Lehrern (auch am Gymnasium) mit mehr Möglichkeiten pädagogischen Eingriffs auszustatten. Fazit: es muss den Lehrer wieder mehr Spaß bereiten, dann ist der Beruf auch wieder attraktiver.
Punkt 4: Viele Lehramtskandidaten finden im Laufe ih res Studiums heraus, dass der Beruf nicht das Richtige für sie ist, oder dass man mit dem erworbenen Fachwissen in der freien Wirtschaft mehr Geld zu verdienen ist. Dies ist nicht zu verhindern, zumal man den Studenten in einem freien Land auch freie Beruf swahl zugestehen muss. Dennoch müssen auch und gerade die Besten Studenten im Lehramt ihren Platz finden, damit die Qualität der Schulen hoch bleibt. Verlegenheitskandidaten, die wegen der „vielen Ferien“ den Job suchen, sind eh fehl am Platz.
Wie sollt e die Qualität des Lehramtsstudiums langfristig gewährleistet und gefördert werden? Wie sollen Lehramtsstudierende die als LehrerIn benötigten Kompetenzen erlernen?
Wie immer, liegt das große Problem im Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Im Grundsch ullehramt liegt der Fokus sehr viel mehr auf der Pädagogik, als im LA für Gymnasien. Der Bedarf an „pädagogischen Interventionen“ ist im Bereich weiterführender Schulen aber größer geworden. Es gilt eine Spagat zwischen hohem Fachwissen und psychologische n und pädagogischer Ausbildung derart hinzubekommen, dass der erforderliche Stoff absolviert werden kann, aber auch die Erziehung professionell ermöglicht wird. Insbesondere im Lehramt für Gymnasien ist die pädagogische Komponente unzureichend, was dann wi eder zur frühen Frustration führt. Maßnahmen: „Früh Schwimmen lernen“. Praktika bereiten auf die Realität vor (6 Wochen Pflicht im LAG sind zu wenig). Studienbegleitend muss hier mehr getan werden. Dennoch muss die fachliche Qualität ebenfalls gewahrt werden – Lehrer müssen ebenfalls ihr Leben lang auf dem Laufenden bleiben. Ich sehe eine deutliche Verlagerung auf ein kontinuierliches Lernen für Lehrer. Abschlüsse an Universitäten sorgen für Qualitätssicherung meist nur auf fachlicher Ebene – dies aber effi zient. Das Referendariat bereitet den pädagogischen Weg. Hier könnte früher angesetzt werden. Wie sollte der Widerspruch zwischen Bildungsföderalismus und europäischem Hochschulraum gelöst werden? Die Bildungssysteme in Europa sind höchst unterschiedli ch. Über Kurz oder Lang muss man sich über eine „common sense“ Lösung einigen. Das dauert, da natürlich jedes Land seine Tradition wahren möchte. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt m.E., dass wir erst einmal unser Bildungssystem vereinheitlichen und e inen Bildungsstandard erreichen (den es einfach nicht wirklich gibt). Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den Bundesländern in der Notwendigkeit der Ausrichtung von Bildung – das müsste längst zentral und einheitlich geregelt sein.
Welche Maßnahm en sollten getroffen werden, um die bei der Umsetzung der Bologna - Reform entstandenen Missstände (Anwesenheitspflichten, wöchentliche "Hausaufgaben" in allen Vorlesungen, verstärktes "Bulimie" - Lernen, etc.) zu beheben?
Eine Verschulung des universitären Systems ist kontraproduktiv zu der wichtigen Aufgabe der Universität, frei denkende Menschen auszubilden, die später, quasi in der Wüste, selbst in der Lage sind Wasser zu finden. Konkret: Lernen Lernen ist und bleibt die Aufgabe der Lehre an der Universitä t . Die Universität kann Hilfestellung geben, den Weg muss jeder selbst finden. Große Studentenzahlen führen zu Großaufgeboten in Vorlesungen und Klausuren. Die Qualität sinkt – Hausaufgaben machen, sollte man seit der Grundschule beherrschen. Wer sich dies bezüglich nicht selbst disziplinieren kann, hat an einer Hochschule auch nichts verloren. Es muss wieder mehr darüber nachgedacht werden, wo im Vorfeld vielleicht Dinge versäumt worden sind und wer eigentlich ein Studium braucht und wer dafür geeignet ist. An welchen Stellen sollte beim Hochschulpakt nachjustiert werden? Es ist vernünftig dass der Bund und Länder sich an dem Thema Bildung gleichermaßen beteiligen – Forschung und Wissenschaft sind unsere Elementarresourcen und unsere Zukunftschance. Es ist schwierig die Tendenzen und Interessen von Jugendlichen vorauszusagen, weshalb auch eine passende Finanzierung immer schwierig bleiben wird. Dennoch muss versucht werden, bessere Prognosen zu bekommen, eventuell auch mehr „kanalisierende Maßnahmen“ zu ergreifen , wie z.B. en t sprechende Verteilung von Studienplätzen . Insgesamt ist der Hochschulpakt durch Studien als „ erfolgreich “ eingestuft worden. Nachbesserungen wär en durch eine bessere wirtschaftliche Situation des Landes ganz einfach zu erzielen: wir benötigen mehr Investitionen in Bildung!