Frage an Wolfgang Thierse von matthias m. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Thierse,
Am vergangenen Wochenende hat der Staat die Pflicht zum Schutz der verfassungsmäßigen Rechte seiner Bürger nicht erfüllt, er hat quasi vor einer Gewaltandrohung kapituliert, eine genehmigt Demonstration konnte nicht stattfinden. Was an sich schon eine latente Gefahr für unser demokratisches Zusammenleben darstellt, denn ein Staat, der bei dieser Aufgabe schon kapituliert, ist potentiell zu schwach, sich und die Rechte seiner Bürger zu schützen.
Als ob das nicht schon genug wäre, muß ich von Ihnen, wohlgemerkt dem Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, jemandem der in die erste Diktatur in Deutschland hineingeboren wurde und auch die zweite Diktatur am eigenen Leib gespürt hat, folgende Aussage vernehmen: "Ja, aber man kann eben in der Politik und in der Demokratie nicht nur formaljuristisch argumentieren, sondern es geht schon darum, welches Anliegen welche Gruppierung vertritt, ob es dem friedlichen Zusammenleben der Gesellschaft dient, oder ob es stört, welche historische Erfahrung, welche historischen Erinnerungen wir mit welcher Art von Anliegen welcher politischen Position haben." Herr Thierse, glauben Sie nicht, daß Sie mit dieser Aussage den Radikalen jeglicher Ausrichtung die Argumentationshilfe zum Verfassungsbruch an die Hand geben? Sind Sie wirklich der Meinung, daß unsere Verfassung verhandelbar ist, daß man tatsächlich das Recht hat, Verfassungsrecht zu brechen, wenn man nur das richtige "Anliegen" vertritt? Und wer definiert denn, was das richtige Anliegen ist? Und wer entscheidet, so ganz "unformaljuristisch", was dem friedlichen Zusammenleben dient? Und wer bitte darf sich anmaßen, meine Rezeption der Geschichte und meine daraus resultierenden Anliegen, solange sie nicht ungesetzlich sind, zu bewerten?
Metzen
Sehr geehrter Herr Metzen,
vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch. Gerne möchte ich Ihnen in einem persönlichen Dialog antworten.
Bitte senden Sie mir daher Ihre Frage noch einmal an meine Mailadresse wolfgang.thierse@wk.bundestag.de , da es mir nur dann möglich sein wird, mein Antwortschreiben persönlich an Sie zu richten.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Thierse