Frage an Wolfgang Thierse von Paul K. bezüglich Kultur
Lieber Herr Thierse,
meine Frage richtet sich an Sie als einen aktiven Verfechter des Abrisses des PALASTs DER REPUBLIK.
Vor dem Hintergrund zeitlich, finanziell und inhaltlich relativ unbestimmter Pläne einer Nutzung des Areals nach dem Abriss und gleichzeitiger intensiver kultureller Nutzung der jetzigen "Hülle" drängt sich mir der Eindruck auf, bei den Abrissplänen handele es sich primär um die Verfolgung des Ziels der unbedingten Entfernung eines SYMBOLs.
Bezieht man das ungünstige zeitliche Zusammenfallen der Fussball-Weltmeisterschaft und des geplanten Abrisstermins (des gerade in jener Zeit sicher vielfältig nutzbaren Gebäudes) in diese Betrachtungen ein, gewinnt man zwangsläufig den Eindruck, hier wird ohne pragmatischen Bezug an allen souveränen Erwägungen vorbei die geradezu handstreichartig ausgeheckte Vernichtung eines identitätsstiftenden SYMBOLS vorangetrieben. Hat die Politik die Aufgabe der pädagogischen Kontrolle der Bevölkerung? Wie ist Ihre Haltung dazu?
Freundliche Grüße,
Paul Koch
Prenzlauer Berg
Sehr geehrter Herr Koch,
Ihre Haltung zur Neugestaltung der Mitte Berlins kann ich nicht teilen. Seit Anfang der 90er Jahre wurde die Frage nach der Wiederrichtung von Bürgern, Vereinen, Initiativen, Medien und Politik – teilweise sehr kontrovers – diskutiert. Am Ende dieses Prozesses stand die Annahme der Vorschläge der von der Bundesregierung und dem Senat von Berlin eingesetzten „Kommission Historische Mitte Berlin“ durch die Beschlüsse des Deutschen Bundestages im Jahr 2002.
Bei dem von der Kommission Historische Mitte Berlin erarbeiteten Vorschlag handelt es sich um ein umfassendes inhaltliches Konzept zur Gestaltung des Schloss- und Museumsinsel-Areals. Das Konzept Humboldt-Forum will einen Ort der europäischen und außereuropäischen Künste und Kulturen sowie der Wissenschaften und der Kommunikation entstehen lassen. Hierfür sollen verschiedene museale Einrichtungen der
Humboldt-Universität, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Zentral- und Landesbibliothek Berlins sowie andere kulturelle Einrichtungen Nutzer im neuen Schlossbau werden. Darüber hinaus sollen 20-30 % der entstehenden Flächen privatwirtschaftlich genutzt werden können; das Konferenz- und Veranstaltungskonzept „Agora“ wird mit dem wieder entstehenden überbauten Schlüter-Hof die Begegnung von Menschen aus Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft ermöglichen. Keinesfalls also handelt es sich bei der Wiedererrichtung
des Schlosses lediglich um die „Entfernung eines Symbols“. Vielmehr wird die Umsetzung des Humboldt-Konzeptes dazu beitragen, Berlins Mitte auch wieder zu der Mitte Berlins werden zu lassen. Zugleich erhielte Berlin damit eine der interessantesten Museumslandschaften weltweit.
Die Finanzierung des Konzepts wird derzeit vom Bundesbauministerium geprüft. Die erforderlichen 670 Millionen Euro werden entsprechend einem 2-Säulen-Modell aufgebracht. Der Kernbau soll dabei in öffentlich-privater Partnerschaft errichtet werden. Für die Gestaltung der Schlossfassaden werden nach dem Vorbild des Aufbaus der Dresdner Frauenkirche Spenden in Höhe von 80 Millionen Euro eingeworben. Die
Fassade wird also ausschließlich privat finanziert.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Thierse