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Wolfgang Strengmann-Kuhn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Matthias L. •

Frage an Wolfgang Strengmann-Kuhn von Matthias L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Strengmann-Kuhn

Am 10.12.2008, nun also schon vor mehr als 1 Jahr, wurde eine Online-Petition von Susanne Wiest zum Bedingungslosen Grundeinkommen eingereicht und von mehr als 50.000 Menschen unterzeichnet. Die Reaktion des Bundestages wurde damals auf die Zeit, nach der Bundestagswahl verschoben, die nun auch schon mehrere Monate zurück liegt.

Meines Wissens ist die Folge einer Unterzeichnung durch mehr als 50.000 Wahlberechtigte eine öffentliche Anhörung, die es bisher noch nicht gab.

Da Sie sich neulich im Deutschlandradio für das Bedingungslose Grundeinkommen ausgesprochen haben und Sie auch im Petitionsausschuss des deutschen Bundestages sitzen, wende ich mich nun an Sie.

Ich habe folgende Fragen:

Wann wird die öffentliche Anhörung zum Bedingungslosen Grundeinkommen im Petitionsausschuss des deutschen Bundestages stattfinden?
Ist es möglich als Zuhörer live an der Anhörung teilzunehmen und wenn ja wie?
Wie ist die Position der Grünen zu dem Thema und ist es angesichts des ständig wachsenden Interesses der Bevölkerung und den aktuellen Diskussionen und Urteilen zu Hartz IV geplant, dass die Grünen sich für das Grundeinkommen einsetzen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Matthias Lindemer,

herzlichen Dank für die Anfrage. Seit dem 1. September 2005 bietet der Petitionsausschuss Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, neben der schriftlichen Einsendung bzw. der Übermittlung per Telefax eine Petition mit Hilfe eines Web- Formulars über das Internet an den Ausschuss zu senden. Über das allgemeine Petitionsrecht hinaus eröffnet der Petitionsausschuss als zusätzliches Angebot die Möglichkeit, öffentliche Petitionen einzureichen.

Richtig ist, dass der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages die PetentIn in öffentlicher Ausschusssitzung anhört, wenn eine Sammel- oder Massenpetition bei deren Einreichung von mindestens 50.000 Personen unterstützt wird oder wenn dieses Quorum spätestens drei Wochen nach Einreichung erreicht wird. Das hat die Petition von Susanne Wiest, wie Sie sicherlich wissen, nicht ganz geschafft. Zwar hat die Petition über 52.000 Mitzeichnende gefunden, allerdings nicht in besagtem Zeitraum. Dennoch haben sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages aufgrund des großen öffentlichen Interesses darauf verständigt, Susanne Wiest in einer öffentlichen Ausschusssitzung die Möglichkeit zu geben, ihr Anliegen vorzutragen. Ich begrüße diese Entscheidung sehr, wie Sie auch meiner Pressemitteilung in Bezug auf die Entscheidung des Petitionsausschusses entnehmen können: http://www.strengmann-kuhn.de/?p=1915

Der Termin für diese öffentliche Ausschusssitzung steht noch nicht fest. Er wird von den Obleuten des Petitionsausschusses nach Vorschlag des Ausschussdienstes beschlossen. Da im Schnitt 5 bis 6 öffentliche Ausschusssitzungen im Jahr vom Petitionsausschuss durchgeführt werden, können Sie selbst ermessen, dass einige Zeit ins Land gehen kann, bis der Termin zustande kommt. In diesem speziellen Fall kamen auch noch die Bundestagswahl und die Neukonstituierung des Bundestages zeitverzögernd hinzu. Ich gehe davon aus, das Susanne Wiest in der zweiten Jahreshälfte Gelegenheit haben wird, Ihr Anliegen dem Petitionsausschuss zu Gehör zu bringen. Da ich aber neu im Petitionsausschuss und bin den Gepflogenheiten noch nicht so vertraut bin, kann ich das nicht genau abschätzen. Wenn es dann soweit ist, besteht für Interessierte die Möglichkeit die Sitzung vor Ort oder auch im Bundestagsfernsehen unter www.bundestag.de online zu verfolgen. Details zur Teilnahme bzw. zu den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses entnehmen Sie bitte der Homepage des Ausschusses: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a02/index.jsp . Unter http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a02/presse/PMInternetsperre.pdf gibt es u.a. eine Pressemeldung zu einer öffentlichen Anhörung zum Thema Internetsperren am kommenden Montag, in der das Verfahren zur Anmeldung bei dieser Anhörung beschrieben ist.

Zu guter Letzt noch zur Position der Grünen zum Grundeinkommen. Wie in allen im Bundestag vertretenen Parteien gibt es keinen Parteibeschluss auf Bundesebene für ein Grundeinkommen. Wir hatten aber bei der Bundestagswahl etliche KandidatInnen, die sich für ein Grundeinkommen aussprechen (siehe www.grundeinkommen-ist-waehlbar.de ) und stellen jetzt auch im Bundestag die Fraktion mit den meisten GrundeinkommensbefürworterInnen (siehe http://www.archiv- grundeinkommen.de/wahlen/buta09/bge-erststimmenergebnisse-2009.html ). Aber auch in der Grünen Bundestagsfraktion ist es noch eine Minderheit. Es haben sich aber einige Landesverbände für ein Grundeinkommen ausgesprochen und auf einem Bundesparteitag (Bundesdelegiertenkonferenz) im Herbst 2007 in Nürnberg bekam ein Antrag des Landesverbandes Baden-Württemberg immerhin eine Zustimmung von 42% der Delegierten. Dabei ging es um ein so genanntes partielles Grundeinkommen, bei dem quasi der Hartz IV-Regelsatz an alle ausgezahlt wird, der nach der Vorstellung der Grünen zum damaligen Zeitpunkt 420 EUR betragen sollte. Zusätzliche bedürftigkeitsgeprüfte Leistungen, z.B. für die Kosten der Unterkunft, aber auch Sozialversicherungsleistungen sollten dadurch nicht ersetzt werden. Technisch sollte das Grundeinkommen als negative Einkommensteuer implementiert werden, so dass Personen mit höherem Einkommen das Grundeinkommen nur auf dem Papier als Ersatz der Steuerfreibeträge erhalten. Finanziert werden sollte das Grundeinkommen durch eine progressive Einkommensteuer mit Steuersätzen von 35 bis 45%. Dieser Antrag unterlag knapp, in dem seinerzeit beschlossenen Antrag, der sich für eine verbesserte Grundsicherung ausspricht, wird aber ausdrücklich gesagt, dass damit die Debatte über das Grundeinkommen bei den Grünen nicht beendet ist. Außerdem haben einige Grundeinkommensgedanken Eingang sowohl in diesen Beschluss als auch in das Bundestagswahlprogramm gefunden. Dazu gehören u.a. die Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens, also eine individuelle Grundsicherung, die Forderung, dass Sanktionen das sozio-kulturelle Existenzminimum nicht antasten dürfen, die Einführung eines Sanktionsmoratoriums, eine bedingungslose Kindergrundsicherung, eine Studienfinanzierung mit elternunabhängigen Grundsockel und eine Garantierente, durch die geringe Rentenansprüche aufgestockt werden.

Meine Meinung ist, dass die Forderung nach einem Grundeinkommen nicht zuletzt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den neuesten Zahlen zum Anstieg der Armut in Deutschland wichtiger denn je ist, da Verbesserungen innerhalb des Grundsicherungssystems (Anhebung der Regelsätze, bessere Zuverdienstmöglichkeiten etc.) an finanzielle und gesellschaftspolitische Grenzen stoßen. Schon jetzt beziehen fast 9 Millionen Menschen in Deutschland Grundsicherungsleistungen, Eine Zahl, die sich durch Verbesserungen innerhalb des Systems deutlich erhöhen würde. Ich gehe davon aus, dass wir in unserer Partei in den nächsten Jahren weiterhin intensiv über das Grundeinkommen diskutieren werden. und bin optimistisch, dass sich die Zustimmung noch weiter erhöhen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Strengmann-Kuhn

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