Frage an Wolfgang Stefinger von Andreas R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Dr. Stefinger,
ich wende mich an Sie, da Sie Mitglied des Forschungsausschusses sind. Ich schreibe Sie aber auch deshalb an, weil ich mir von der Union eine konservative Politik erhoffe, die sich gegen die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und für die Wahrung der Schöpfung einsetzt.
Studien wie der jüngste IPCC-Bericht zur Begrenzung des Klimawandels auf 1,5 Grad im Vergleich zu den vorindustriellen Durchschnittstemperaturen treffen die Annahme, dass in großem Maßstab negative Emissionsthechnologien verwendet werden (vgl. etwa http://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aabf9b ). Mit anderen Worten: um den Klimawandel noch einigermaßen verantwortungsvoll zu begrenzen, bedarf es solcher Technologien. Kosten- und Folgeabschätzungen dazu liegen ja bereits vor ( http://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aabf9f ). Jüngste Studien zeigen jedoch eindringlich, dass die Weltgemeinschaft mit der Entwicklung solcher Technologien deutlich hinterherhinkt ( http://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aabff4 ). Mit anderen Worten: Wenn wir nicht schnell neue Lösungen schaffen, wird das Erdklima langfristig aus den Fugen geraten. Das Ende unserer Spezies wäre wohl besiegelt (vgl. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/meeresspiegel-prognose-nordsee-flutet-norddeutschland-a-1070856.html ).
Welche Ziele gibt es in der deutschen Politik, um die Entwicklung von Negativemissionstechnologien zu fördern? Wie gestaltet sich dabei die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft? Ab wann wird Deutschland solche Technologien in großem Maßstab betreiben?
Mit freundlichen Grüßen
A. R.
Sehr geehrter Herr R.,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage zur Förderung von Technologien zu „Negativen Emissionen“.
Nach meinem Informationsstand prüft das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur Zeit eine mögliche Förderung von Forschung zu „Negativen Emissionen“ oder Methoden zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Hierzu wurden mehrere Fachgespräche durchgeführt, deren Ergebnisse Grundlage der weiteren Planung sind. Ziel ist eine Förderbekanntmachung im kommenden Jahr. Die Erkenntnisse der von Ihnen zitierten Studien werden hierbei in die Überlegungen mit einbezogen. Zwei der drei Hauptautoren der zitierten IOP-Studien waren als Experten beim letzten Fachgespräch anwesend.
Die offene und transparente Kommunikation zwischen Forschern, Politik und Öffentlichkeit wird bei einem Engagement des BMBF in der Thematik „Negative Emissionen“ einen sehr hohen Stellenwert haben. In diesen Prozess kann auch die Wirtschaft eingebunden werden. Das BMBF verfolgt dabei einen inhaltlich und disziplinär umfassenden Forschungsansatz. Gefragt sein wird nicht nur eine naturwissenschaftliche Theorie- und Modellentwicklung, vielmehr werden auch sozioökonomische und rechtliche Fragen (Akzeptanzfragen, gesellschaftliche Prozesse, internationales Konfliktpotenzial) zu bearbeiten sein. Primäre Zielrichtung des BMBF-Engagements ist zunächst die Erweiterung der Bewertungskompetenz zu diesem Thema. Denn vor einer konkreten technologischen Umsetzung müssen die möglichen Nebenwirkungen aus sozialwissenschaftlicher und technologisch/naturwissenschaftlicher Sicht zunächst besser verstanden werden. Die ich Ihrer Mail zitierte Einschätzung, wonach ausreichende Kosten- und Folgeabschätzungen vorlägen, teile ich nicht. Vielmehr geben die genannten Studien nur eine erste grobe Einschätzung und verweisen auf zahlreiche ungeklärte Fragen. Im Übrigen wird die Bundesregierung, wie im Pariser Abkommen völkerrechtlich verbindlich vereinbart, zur Erreichung der Klimaziele weiterhin in erster Priorität Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasen und einer Transformation zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft verfolgen.
Angesichts verschiedener ungelöster Fragen zu Limitierungen und/oder möglichen Nebeneffekten kann die Frage nach der Anwendung weder für die Weltgemeinschaft als Ganzes noch viel weniger für Deutschland fundiert beantwortet werden. Vorläufiger Grundbefund der bisherigen Forschung - z.B. im Schwerpunktprogramm (SPP) 1689 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in dem unter anderen Methoden für „Negative Emissionen“ untersucht wurden, - ist, dass bei näherer Untersuchung die Potentiale der verschiedenen Methoden niedriger und die Risiken in der Regel höher als bisher angenommen einzuschätzen sind. Die Entwicklung einer nationalen Perspektive zu Potentialen und Risiken der Methoden zu „Negativen Emissionen“ wird ebenfalls als wichtiger Bestandteil der möglichen BMBF-Förderung gesehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Stefinger, MdB