Frage an Wolfgang Roth von Andreas K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Roth,
wie stehen Sie zum Konzept des Sockelbergbaus bzw. Steinkohle-einschließenden Energiemixes?
Welche konkreten Vorteile bzw. Probleme sehen Sie? Welche Nachteile würden Sie akzeptieren, um die von Ihnen gewünschten Vorteile zu realisieren? Wie können Sie die Durchführung eines solchen Konzeptes unterstützen bzw. verhindern?
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Köhler
Sehr geehrter Herr Köhler,
meine Position zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen können sie aus folgendem Statement erkennen.
Die SPD steht zur heimischen Kohle - dies gilt für Steinkohle und Braunkohle gleichermaßen. Steinkohle und Braunkohle haben einen unverzichtbaren Platz in der Energieversorgung in NRW. Wir wollen, dass dies so bleibt. Wir sind die einzige Partei in NRW, die sich so klar und eindeutig für die heimische Kohle einsetzt.
Wir kämpfen aus Überzeugung für die Zukunft unserer Kohle.
Es geht nicht um ideologische Grabenkriege. Wir sind aus wirtschaftlicher Vernunft überzeugt, dass wir die Kohle brauchen.
Unser gesunder Menschenverstand sagt uns, dass man nicht aus der heimischen Energieversorgung aussteigt, wenn weltweit der Energiehunger dramatisch ansteigt.
Klar ist:
Wir haben mehr gewollt. Wir hätten es richtig gefunden, schon heute die Weichen für einen Sockelbergbau zu stellen.
Klar ist auch: Eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen kämpft gegen die heimische Steinkohle.
Die Position der Landesregierung in Düsseldorf ist durch und durch bergbaufeindlich. Ich will nur daran erinnern: Der CDU-Landesvorstand hatte gemeinsam mit der Saar-CDU einen Antrag auf dem CDUBundesparteitag gestellt, dass der Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau unwiderruflich bis spätestens 2015 erfolgen sollte. Die FDP hat das aktuell noch getoppt indem sie Ihre Steuergeschenke mit einem Ausstieg bereits im Jahre 2012 gegenfinanzieren will.
Wir wissen, dass dies nicht sozialverträglich und nicht ohne betriebsbedingte Kündigungen geht.
Wir haben dies bisher verhindert. IGBCE, die Kumpel und die SPD haben die Tür für einen Sockelbergbau gemeinsam offen gehalten. 2018 und 2012 bleiben - der Sockel bleibt möglich.
Wir wollen nach wie vor einen Sockelbergbau als Beitrag zur Versorgungssicherheit und als Referenz für unsere weltweit gefragt Bergbautechnologie - die Tür dazu steht mit der Option 2012 über 2018 hinaus offen.
Die Kosten für den Bergbau sind dabei unsere Versicherungsprämie gegen die Versorgungs- und Preisrisiken auf den Weltmärkten. Heimischer Bergbau ist gleichzeitig Basis für unsere heimische Bergbau- und Kraftwerkstechnologie, die hier in NRW Arbeitsplätze innerhalb und außerhalb des Bergbaus sichert.
Wir werden mit unseren Freunden in Berlin weiter für die Zukunft eines lebensfähigen Bergbaus kämpfen.
Die letzten Monate haben zwei Wahrheiten gezeigt:
Erstens:
Die Finanzmarktkrise hat diejenigen Staaten besonders hart getroffen, die nicht über eine leistungsfähige Industrie verfügen. Gerade dann, wenn die Seifenblasen internationaler Finanzjongleure zerplatzen, ist es klug, sich auf echte Werte zu besinnen. Werte, die Facharbeiter in Fabriken, in Werkstätten und unter Tage mit harter Arbeit schaffen. Diese Werte bleiben bestehen, wenn virtuelle Finanzwelten kollabieren.
Zweitens haben die letzten Monate auch klar gezeigt:
Die Krise auf den internationalen Finanzmärkten hat ein für allemal Schluss gemacht mit der Doktrin der Landesregierung: „Privat vor Staat“. Allen ist nun klar: "Privat vor Staat" ist keine Lösung. Der Markt allein findet keine Lösungen für die Menschen.
Dies gilt übrigens bei so unterschiedlichen Dingen wie auf den Finanzmärkten, beim Klimaschutz wie bei der nachhaltigen Energieversorgung gleichermaßen. Eine soziale Marktwirtschaft braucht Leitplanken, damit sie den Menschen dient. "Privat vor Staat" kann dies nicht leisten. Politiker müssen bereit sein, Leitenscheidungen zu treffen und zum Wohle der Allgemeinheit auch zu entscheiden. Politik muss gestalten und einen Rahmen setzen.
Dabei müssen Politiker im Sinne der Menschen anders vorgehen als manche Manager, die nur auf Quartalszahlen schielen: Politik muss in Verantwortung für die Zukunft langfristig vernünftige Entscheidungen treffen.
Zur langfristigen Zukunft der deutschen Steinkohle hören wir immer wieder, dass unsere Kohle niemals wettbewerbsfähig werden könnte. Gerade in den Reihen der selbst ernannten Kohleexperten von CDU und FDP gibt es da geradezu hellseherische Fähigkeiten.
Hierzu nur ein kurzer Blick in die Vergangenheit:
Die Kokerei Kaiserstuhl wurde demontiert und nach China verschifft, weil das weltweit steigende Interesse an der Nutzung von Kohle als Kraftstoff ist ein weiterer Grund, warum ich davon ausgehe, dass Kohle auf den Weltmärkten langfristig teurer werden wird.
Ich erwarte deshalb eine regelrechte Renaissance der Kohle. Andere Branchen haben ihre Renaissance schon erlebt. Totgesagte leben manchmal länger.
Hierzu gibt es eine Vielzahl von Gründen: Kohle hat weltweit die größte Reichweite aller Energierohstoffe. Wir werden noch über große Kohlevorräte verfügen, wenn Öl und Gas längst versiegt sind. Gerade in der Stromerzeugung boomt Kohle weltweit. Viele Experten gehen davon aus, dass China in den nächsten Jahren vom Netto- Exporteur zum Netto-Importeur werden wird. Die Wirkungen auf den Weltkohlemarkt kann man sich ausmalen.
Kohle wird zunehmend auch in Europa immer wirtschaftlicher. Dies zeigen uns Zechenerweiterungen und Ertüchtigungen in Großbritannien, Polen und Tschechien.
Auch in Deutschland kommt dies an: Der Beihilfebedarf sinkt kontinuierlich. Die Schere zwischen Produktionskosten und Erlösen schließt sich.
Aus gutem Grund wird deshalb schon von vielen vernünftigen Menschen gefordert, bereits jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass bereits heute und nicht erst im Jahr 2012 die Weichen für einen Sockelbergbau über 2018 hinaus gestellt werden.
Auch hier streut die Landesregierung Sand ins Getriebe:
Die Energieministerin Thoben versucht nach wie vor den Eindruck zu erwecken, als müssten Altlasten und Ewigkeitskosten aus der laufenden Produktion bezahlt werden.
Nur so kommen sie auf astronomische Produktionskosten von über 300 Euro pro Tonne Kohle. Nur so kommen sie zu der Behauptung, dass Steinkohle in Deutschland niemals wettbewerbsfähig werden kann. Dabei wissen wir: Alt- und Ewigkeitslasten sind durch den Börsengang sicher finanziert. Dies zeigt allein der Verkaufserfolg der ersten Tranche von 25 % am weißen Bereich.
Bei einem Sockelbergbau müssen wir uns um die Kosten eines weiteren Anpassungsprozesses nicht sorgen. Die Stilllegungskosten fallen einmalig in der Phase an, in der wir gezwungen sind, weitere Bergwerke zu schließen. Auch diese Kosten haben mit den Produktionskosten nichts zu tun.
Für die endgültige Entscheidung über die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus im Jahr 2012 ist eine Bergbauplanung erforderlich, die die Chancen für einen Sockelbergbau in nennenswertem Umfang für die Zeit nach 2018 wirklich offen hält. Der Zugang zu den Kohlelagerstätten der Zukunft darf nicht durch kurzfristig angelegte Entscheidungen irreversibel verschlossen werden. Für die zukünftige Kohlepolitik muss eine tatsächliche Option in der Bergbauplanung gesichert werden.
Dazu wollen wir Sozialdemokraten einen Beitrag leisten. Das müsste sich eine jede Landesregierung gerade in NRW auf die Fahne schreiben. Aber: Die Haltung der Regierung Rüttgers ist eindeutig: Eine schwarzgelbe Landesregierung würde 2012 alles tun, um einen Sockelbergbau zu verhindern. Dies hat Rüttgers bereits einen Tag nach dem Kompromiss - die Tinte war kaum trocken - bei der Sondersitzung des Landtags erklärt. Auch deshalb brauchen wir den Regierungswechsel 2010.
Alle hier Anwesenden wissen, dass die Gemeinsamkeiten mit den Grünen bei der Steinkohle enden. Obwohl die Argumente für die heimische Steinkohle genau dieselben sind wie die Argumente für die heimischen erneuerbaren Energieträger:
- Heimische Steinkohle sichert Wertschöpfung im eigenen Land.
- Heimische Steinkohle ist die technologische Basis für Exporte.
- Heimische Steinkohle bietet Ausbildungschancen in zukunftsfähigen Berufen.
- Die Art und Weise wie wir unsere heimische Steinkohle fördern, Grubengas nutzen und die Kohle in hocheffizienten Kraftwerken verstromen sind beispielgebend für die weltweite Nutzung. Für den weltweiten Klimaschutz wäre nichts gewonnen, wenn wir aus unserer Steinkohle aussteigen. Für den Klimaschutz wäre es aber ein großer Fortschritt, wenn flächendeckend die Kohle so effizient gefördert und genutzt würde, wie wir dies hier in Deutschland vormachen.
Ich befinde mich zur Zeit in der heißen Wahlkampfphase, Ihre dialektisch ausgerichtete Fragestellung und das dahinter vermutete Erkenntnisinteresse sollten wir in einem pesönlichen Gespräch wenn möglich an einem meiner Wahlstände erörtern. Auf meiner Internetseite: http://www.wolfgang-roth.info können sie meinen Terminkalender finden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Roth