Frage an Wolfgang Rose von Rule B. Ph. von B. bezüglich Soziale Sicherung
Lieber Kollege Rose,
als Mitglied von Ver.di, möchte ich von Dir wissen, wie gut es sich vereinbaren lässt als Chef von Ver.di Hamburg und als Mitglied in der Bürgerschaftsfraktion und möglicherweise, es sollen ja noch Zeichen und Wunder geben, als Arbeits- und Sozialsenator für die SPD und das in der heutigen Kontroverse zwischen Kapital und Arbeit, den vielen Problemen im Bereich des gewerkschaftlichen, gesellschaftlichen Handelns und des parteipolitischen Handelns. Wo siehst Du Deine Fähigkeit, Deine wirklichen gewerkschaftlichen Vorstellungen zu verwirklichen innerhalb einer SPD-Fraktion. Ich würde mir wünschen für Dich, Du kommst nicht in irgendeiner Form in einen Interessenkonflikt, der Dich von der Arbeit als Parlamentarier abhält, Deine Aufgaben als Gewerkschaftsfunktionär nicht mehr so ernst zu nehmen. Also wie willst Du die beiden Seiten in Einklang bringen?
Mit besten Grüßen
Rule von Bismarck
Lieber Kollege von Bismarck,
ich stimme Dir zu, die Gefahr eines Interessenkonfliktes zwischen den Aufgaben eines ver.di-Landesbezirksleiters und eines SPD-Abgeordneten ist potentiell gegeben. Aber ich bin nun mal eher ein "Einmischer" und kein "Zugucker". Nach gründlicher Abwägung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass diese Gefahr für mich beherrschbar sein wird.
Dies vor allem aus drei Gründen:
1) Ich habe intensiv daran mitgearbeitet, Gewerkschaftsforderungen auch in das Wahlprogramm der SPD aufzunehmen, nicht ohne Erfolg. Insofern stimmen die Positionen der Hamburger SPD in wesentlichen Kernfragen mit denen von ver.di und des DGB grundsätzlich überein: Stopp der Privatisierungen, für leistungsfähige öffentliche Dienstleistungen, für einen starken Staat mit angemessener Daseinsvorsorge für die Bürger, für aktive Arbeitsmarktpolitik und gute Arbeit, für ausreichend qualifizierte Ausbildungsplätze, für Mindestlöhne und für verbindliche Volksentscheide. Das kannst Du nachprüfen beim Vergleich der DGB-Wahlanforderungen mit dem SPD-Wahlprogramm (s. meinen Text oben in der Rubrik "Politische Ziele"). Natürlich kann es Unterschiede im Detail geben. Aber bezüglich der konkreten Umsetzung beispielsweise einer aktiven Arbeitsmarktpolitik kann ich dann als Abgeordneter ja gerade Einfluss nehmen.
2) Die Differenzen zwischen Gewerkschaften und SPD betreffen hauptsächlich bundespolitische Themen der vergangenen Jahre, vor allem die Bewertung der "Agenda 2010"- und "Hartz IV"-Politik. Dass ich hierbei zur gewerkschaftlichen Kritik stehe, habe ich auch in der SPD ausreichend klar gemacht. Da werde ich sicher nicht zum "Verräter" gewerkschaftlicher Positionen. Ich glaube, dass es gerade in Hamburg richtig ist, wenn die Gewerkschaften auch im Parlament mit ihren Positionen Einfluss nehmen und nicht nur auf der Zuschauerbank sitzen und meckern.
3) Die Hamburger DGB-Gewerkschaften haben mich offiziell mit der Kandidatur beauftragt, nachdem der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm nach 17 Jahren Bürgerschaft nicht mehr antreten wollte. Die SPD hat mich in dem Wissen aufgestellt, dass es meine Aufgabe in der Bürgerschaft sein wird, die gewerkschaftlichen Interessen und Positionen stark zu machen. In schwierigen Situationen ist es auch bisher gelungen, mit möglichen Interessenkollisionen umzugehen, denn die SPD ist natürlich auch daran interessiert, in den Einzelfragen soviel Konsens wie möglich mit den Gewerkschaften herzustellen.
Es gehört zu meinen Grundüberzeugungen, dass Gewerkschaften über die Tarifpolitik hinaus auch in den Parlamenten die Interessen ihrer Mitglieder vertreten sollten. Das geht nur über Parteien. Ich wünsche mir, dass alle Parteien ihren aktiven GewerkschafterInnen mehr Einfluss in den Fraktionen einräumen. ArbeitnehmerInnenpolitik braucht nicht nur Protest, sondern auch aktives Einmischen.
Mit solidarischen Grüßen
Wolfgang Rose