Frage an Wolfgang Kreissl-Doerfler von Günter H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Kreissl-Dörfler,
mit großer Erleichterung habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Bundestagsfraktion der SPD der Grundgesetzänderung zum Einsatz des Militärs im Inneren nicht zustimmen will. Dabei bleibt für mich weiterhin die Frage offen, warum europaweit dennoch dem Einsatz des Militärs (Marine) auf europ.Schiffen in internationalen Gewässern zugestimmt wird? Es handelt es sich doch auch um einen Einsatz des Militärs im Inneren. Sind die Seeleute auf den Seeschiffen durch das Verfassungsrecht weniger schützenswert oder liegt es an dem geringen medialen Interesse oder der fehlenden rechtlichen Einsicht in die Vergleichbarkeit der Rechtslage? Warum wird in Europa über einen Einsatz des Militärs auf Seeschiffen und gegen Flugzeuge diskutiert? Auch an Land bei Kaperung mit Geiselnahme und Entführung einer Eisenbahn, eines privaten oder militärischen gepanzerten PKW, LKW, Kettenfahrzeugs, Baufahrzeugs oder Einsatzfahrzeugs durch Kriminelle können die materiellen (Fahrzeuge, Waffen, Technik, Elektronik etc.) und/oder personellen Mittel der rechtlich und sachlich zuständigen sowie fachlich qualifizierten Polizeibehörde/Innenministerium im extremen Einzelfall nicht ausreichen! Ist es nicht sinnvoller, wirtschaftlicher und praxisgerechter, die bereits rechtlich und fachlich zuständige Polizeibehörde/Innenministerium zu ermächtigen, sich der materiellen und personellen Mittel zu bedienen, die in diesem Extremfall von einer anderen Organisation (nationale, europäische Behörde, Militär etc.) zur Verfügung gestellt werden können? Die Gefahrenabwehr in Extremsituationen der Geiselnahme ist zum Beispiel in den deutschen Polizeigesetzen durch die Anwendung von Schusswaffen gegen Personen verfassungskonform und praxisgerecht geregelt. Warum werden keine europäische Polizeieinheiten zur Begleitung und Sicherung der Schiffe in den gefährdeten Seegebieten, wie im Bahn- und Luftverkehr sowie der Grenzsicherung, eingesetzt?
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heemann
Sehr geehrter Herr Heemann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Auch ich unterstütze die Trennung "Polizei im Inneren, Militär im Äußeren". Für die europäische Ebene kann ich Ihre Besorgnis nicht ganz nachvollziehen:
Bei der EU-Mission gegen Piraten vor der Küste Somalias handelt es sich um ein internationales Problem, das die gesamte EU betrifft und nicht von einzelnen Staaten allein bewältigt werden kann. Gerade weil die Seeleute, wie Sie zu Recht schreiben, schützenswert sind, lautet der Auftrag der EU-Mission vor Somalia, andere Schiffe zu beschützen und Piraten abzuschrecken.
Die Bekämpfung von Seeräubern ist in Deutschland zwar grundsätzlich Polizei-Aufgabe. Ein solcher Einsatz auf internationalen Gewässern kann aber nur von der Marine geleistet werden, Polizeiboote und ähnliches sind hierfür nicht ausreichend. Daher beteiligt sich Deutschland mit der Bundeswehr an der EU-Mission, die im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik stattfindet. Falls Piraten aufgegriffen werden (dies ist im Rahmen des europäischen Mandats möglich, auch wenn das Hauptziel in der Abschreckung besteht), werden sie aber an Land gebracht und dann der dort zuständigen Polizei übergeben. Nach meinem Verständnis ist also die Trennung von Polizei und Militär durch die Einsätze der Bundeswehr auf internationalen Gewässern nicht gefährdet.
Da es sich bei Ihrer Anfrage in erster Linie um eine nationale Problematik handelt, würde ich Ihnen vorschlagen, sich bei weiteren Fragen zu diesem Themenbereich auch einmal an das Bundesverteidigungsministerium oder an Ihren Bundestagsabgeordneten zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Kreissl-Dörfler