Frage an Wolfgang Kreissl-Doerfler von Marcus S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Kreissl-Doerfler,
Ich bin ein bisschen verunsichert wegen der großen Datenschutzreform, die nun ansteht. Wie verschiedene Medien berichten seien in dem Gesetzesvorschlag ganze Textpassagen aus Lobbytexten übernommen worden.
Deshalb nun meine Frage an Sie:
Wie verteidigen Sie mein Grundrecht auf Datenschutz?
Sehr geehrter Herr Schoft,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung.
Ich kann Ihre Verunsicherung sehr gut nachvollziehen und bin ebenfalls besorgt über den großen Einfluss, den einige Lobbyorganisationen auszuüben scheinen. Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments kämpfe ich seit 1994 gegen jede Form eines ungebührenden Lobbyismus und die damit verbundene Aushöhlung der Grundrechte.
Nun zur anstehenden Datenschutzreform: Die EU-Kommission hat bei der Vorbereitung ihres Vorschlages für eine Datenschutz-Grundverordnung die verschiedenen Interessengruppen angehört und die Auswirkungen einer Reform analysiert. Seitdem der Kommissionsvorschlag veröffentlicht ist und im Parlament diskutiert wird, habe auch ich - genauso wie viele meiner Kollegen - zahlreiche Gespräche mit Interessenvertretern über die Datenschutzreform geführt. Neben Unternehmen haben mich viele Verbraucherschützer und Nichtregierungsorganisationen kontaktiert. Oftmals waren die Informationen und die Darstellung der unterschiedlichen Positionen nützlich, um ein umfassendes Bild über mögliche Verbesserungen am Kommissionsvorschlag zu bekommen. Insofern ist es grundsätzlich in Ordnung, wenn Abgeordnete auch die Positionen von Interessenvertretern bei ihrer Gesetzesarbeit berücksichtigen. Allerdings dürfen Lobbyisten natürlich niemals direkten Einfluss auf Gesetzesänderungen nehmen. Jeder Abgeordnete muss selbst die Verantwortung dafür tragen, welche Änderungsanträge er einbringt und wie er abstimmt.
Keinesfalls dürfen bei der Datenschutzreform einseitig die reinen Profit-Interessen großer Unternehmen berücksichtigt werden! Wir Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass Unternehmen nicht auf Kosten der Privatsphäre Geschäftsmodelle entwickeln. Datenschutz ist schon heute unverzichtbar. Das gilt für den Schutz von Bankdaten und Betriebsgeheimnissen - und muss ganz selbstverständlich auch für den Schutz persönlicher Daten gelten. Wir alle können davon profitieren, wenn Bürgerinnen und Bürger aufgrund von strengen Datenschutzbestimmungen darauf vertrauen können, dass Unternehmen verantwortungsvoll mit ihren Daten umgehen.
Wie Sie schreiben ist Datenschutz ein Grundrecht, das es zu schützen gilt. Bei der anstehenden Reform des Datenschutzes befürworten wir Sozialdemokraten insbesonders, dass persönliche Daten nur mit ausdrücklicher Einwilligung und zu einem konkret benannten Zweck verarbeitet werden dürfen. Zudem muss das "Recht auf Vergessen" gewährleistet sein, sodass Daten von EU-Bürgern gelöscht werden, wenn der Grund für die Speicherung erlischt. Auch die gezielte Analyse und Bewertung von personenbezogenen Daten - das sogenannte Profiling - muss eingeschränkt werden. Ganz besonders gilt das im Fall von Kindern, für die ich ein vollständiges Verbot des Profilings fordere. All diese Regeln müssen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der EU gelten, solange EU-Bürger betroffen sind. Denn viele Anbieter von Online-Diensten haben ihren Firmensitz nicht in der EU. Damit die Reform auch wirkungsvoll ist, setzt sich unsere Fraktion dafür ein, dass Unternehmen, die gegen das Datenschutzrecht verstoßen, künftig mit hohen Bußgeldern belegt werden können.
Darüber hinaus ist es uns Sozialdemokraten besonders wichtig, dass Datenschutz auch als Arbeitnehmerrecht verstanden wird. Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre persönlichen Daten wie Nachweise über Fehlzeiten oder ärztliche Atteste bei ihrem Arbeitgeber sicher aufgehoben sind. Die Forderung, EU-weit für alle Unternehmen und Behörden verbindlich Datenschutzbeauftragte einzuführen, ist deshalb zu unterstützen. Ebenso wichtig ist es, dass staatliche Institutionen - und auch die Institutionen der EU - von der Datenschutzreform erfasst sind. Auch der Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf personenbezogene Daten sollte streng geregelt werden. Zur Unschuldsvermutung und dem Prinzip der Resozialisierung gehört, dass die Daten von Beschuldigten während strafrechtlicher Ermittlungen, in Gerichtsverfahren sowie im notwendigen Umfang auch danach geschützt werden.
Nur wenn persönliche Daten in all diesen Bereichen - privat, beruflich und im Umgang mit Behörden - umfassend geschützt sind, haben wir für die europaweite Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz viel erreicht.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Kreissl-Dörfler