Frage an Wolfgang Gunkel von Erhard Dr.-Ing. S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Gunkel,
sind Sie mit mir einer Meinung, dass die im Nuernberger Kriegsverbrecherprozess festgelegten neuen Normen auch heute noch gelten sollten?
Falls Sie diese Frage mit "ja" beantworten, muessen dann nicht Mr. Bush und Mr. Blair vor das Den Haager Gericht gestellt und wegen der Fuehrung eines illegalen Krieges, wie UNO Generalsekretaer Anand fetstellte, angeklagt werden?
In der Hoffnung auf eine Antwort auf diese schwierige Frage verbleibe ich mit den besten Gruessen
Dr.-Ing. Erhard Schellmann
Sehr geehrter Herr Schellmann,
die Nürnberger Kriegsverbrechertribunale waren ein Meilenstein der Rechtsgeschichte, da erstmals Menschenrechte als universell geltend anerkannt wurden. Der Versuch, das unfassbare Verbrechen rechtsstaatlich aufzuarbeiten und die Verantwortlichen juristisch zu verfolgen und zu überführen steht bis heute als Beispiel der konsequenten Anwendung von Recht. An diesem Beispiel hat sich die Internationale Gemeinschaft in den letzten Jahrzehnten orientiert, wenn sie durch die Schaffung von Institutionen wie dem Internationalen Strafgerichtshof versucht hat, Menschenrechten auch in Extremsituationen Gewicht zu verleihen.
Gleichwohl stehen die Nürnberger Prozesse für die rechtliche Aufarbeitung eines in seiner Dimension und Konsequenz einmaligen Menschheitsverbrechens. Die Singularität der Shoa, die industrialisierte Vernichtung von Millionen von Menschen, verbietet den qualitativen oder quantitativen Vergleich mit nachfolgenden Verletzungen der Menschenrechte.
Der von den USA und wenigen anderen Staaten ausgerufene "war on terror" ist und bleibt für mich eine fahrlässige Gefährdung des Weltfriedens, weil er ohne ausreichende Legitimation und nur unter Biegung und Brechung des Völkerrechts den Krieg gegen "das Böse" ausgerufen hat. Die Folgen sind für jeden sichtbar. Die Welt ist nicht friedlicher geworden, die Radikalisierung nimmt zu und eine Lösungsstrategie ist nicht zu erkennen.
Es bleibt aber auch zu bedenken, dass sich die Welt nach dem 11. September 2001 tatsächlich verändert hat. Nicht nur der "freie Westen", sondern die liberale Meinungspluralität ist durch religiöse Extremisten gefährdet. Und es bleibt eine unbeantwortete Frage, wie wir unsere progressiven Werte gegen eine Ideologie verteidigen sollen, die nur eine Wahrheit kennt und zu jedem Mittel bereit ist.
Wir können nur hoffen, und da sind wir wahrlich nicht allein, dass sich mit der Abwahl von Präsident Bush und der Wahl von Obama ein Paradigmenwechsel in der internationalen Politik verknüpfen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gunkel