Frage an Wolfgang Gunkel von Michal K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gunkel,
halten Sie eine Zwangsmitgliedschaft (speziell die in der IHK) in einer demokratischen Gesellschaft für richtig?
Wenn Sie es nicht tun, was gedenken Sie im Namen der Opfer im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zu tun?
Vielen Dank
Michal Kotrc
Sehr geehrter Herr Kotrc,
tatsächlich ist die Zwangsmitgliedschaft in einer IHK vereinbar mit demokratischen Grundsätzen. Das Bundesverfassungsgericht, als Hüter der deutschen Verfassung und damit auch der Demokratie in unserem Land hat in seiner Entscheidung vom 07. Dezember 2001 (1 BvR 1806/98) diese Auffassung zum wiederholten Male bestätigt.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Kammern öffentliche Aufgaben erfüllen. Insofern darf sich der Staat bei der öffentlichen Aufgabe der Wirtschaftsförderung der Hilfe von aus der Wirtschaft selbst heraus gebildeten Selbstverwaltungseinrichtungen bedienen.
Die öffentlichen Aufgaben, die sie erfüllen, sind die ""Vertretung der gewerblichen Wirtschaft" und die "Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet". Es handelt es sich dabei nicht um eine reine Interessenvertretung wie sie Fachverbände wahrnehmen, sondern um die Vertretung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft mit der praktisch im Vordergrund stehenden Aufgabe, die Staatsorgane zu beraten.
Die Beeinträchtigung des einzelnen Gewerbetreibenden durch die Pflichtmitgliedschaft ist deshalb hinnehmbar, weil die Pflichtmitgliedschaft für die Kammerzugehörigen eine Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet, dabei aber auch die Möglichkeit offen lässt, sich nicht aktiv zu betätigen. Die Pflichtmitgliedschaft hat überdies eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und stattdessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt.
Soweit das Bundesverfassungsgericht. Der Deutsche Bundestag hält in seiner Entschließung vom 1. April 1998 Kammern in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft als Selbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaft für weiterhin erforderlich und sachgerecht.
Ich selber bin jedoch auch der Meinung, dass die Pflichtmitgliedschaft nicht zweckdienlich ist. Aufgrund des großen Widerstandes in der CDU-Bundestagsfraktion ist aber eine solche Gesetzesänderung derzeit in der großen Koalition nicht realisierbar.
Insofern kann ich Ihnen im Moment leider nicht weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gunkel