Portrait von Wolfgang Gunkel
Wolfgang Gunkel
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Wolfgang Gunkel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Mike-Axel J. •

Frage an Wolfgang Gunkel von Mike-Axel J. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gunkel,

da Sie im Ausschuß Menschenrechte sitzen, können Sie mir bestimmt folgende Frage beantworten:
Die Europäische Union ist laut Staatenlehre nicht als Staat zu definieren,
da sie
1. kein eigenes Staatsgebiet besitzt
2. kein eigenes Staatsvolk hat
3. nicht verfasst ist
und jetzt die Frage:
Warum darf dieses Gebilde dann in wichtige Entscheidungen der Länder Europas eingreifen ohne den Souverän das Volk zu fragen?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Mike-Axel Jäger

Portrait von Wolfgang Gunkel
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jäger,

tatsächlich haben Sie recht damit, dass die Europäische Union kein Staat im Sinne der Staatslehre ist. Andererseits stellt sie auch keinen bloßen losen Staatenbund dar. Von Staatswissenschaftlern wird die EU vielmehr als Staatenverbund bezeichnet, was als "Vorstufe" zu einem Staat verstanden werden kann.

Dass die Europäische Union in die Rechte deutscher Bürger/innen "eingreifen" darf, ergibt sich aus Artikel 23 Grundgesetz. Darin ist festgelegt, dass Deutschland bestimmte Souveränitätsrechte an die Europäische Union überträgt. Entsprechende Bestimmungen existieren in allen Mitgliedstaaten der EU.

Wie sich Art. 23 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz entnehmen lässt, werden die zuständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland zur Förderung einer Europäischen Union, die "demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist", aufgefordert. In seinem "Maastricht-Urteil" vom 12. Oktober 1993 hat das Bundesverfassungsgericht eine ausreichende vom Volk ausgehende demokratische Legitimation auch innerhalb der Europäischen Union als gegeben angesehen. Insoweit verzichtet das Bundesverfassungsgericht auf eine demokratische Legitimation innerhalb des Staatenverbundes in gleicher Form wie z.B.. in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht hält eine doppelgleisige Legitimation für ausreichend. Zum einen geschehe dies über die nationalen Parlamente. Artikel 23 Absatz 3 Grundgesetz ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten gibt. Insofern ist auch die Bevölkerung über ihre gewählten Vertreter/innen, die Bundestagsabgeordneten beteiligt.
Zum anderen wird die demokratische Legitimation der Europäischen Union auch über das von den Völkern durch Wahlen direkt gewählte Europäische Parlament hergeleitet. So ist das Europäische Parlament, am Gesetzgebungsprozess innerhalb der Europäischen Union beteiligt. Der vorliegende Verfassungsvertrag ("Vertrag von Lissabon") sieht als einen Schwerpunkt den Ausbau dieser parlamentarischen Beteiligungsrechte vor.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gunkel, MdB