Frage an Wolfgang Gunkel von Sebastian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gunkel,
am Freitag haben die Abgeordneten der Großen Koalition dem Gesetz zur sog. Vorratsdatenspeicherung zugestimmt. Sie haben sich jedoch gegen das Gesetz ausgesprochen.
Warum?
Trotz schwerwiegender politischer und verfassungsrechtlicher Bedenken haben die Abgeordneten Ihrer Fraktion dem Gesetz zugestimmt und hoffen, so legt es die zum Plenarprotokoll der 124. Sitzung beigefügte Erklärung Anlage 4 nahe, auf eine Entfernung verfassungswidriger Passagen durch das Bundesverfassungsgericht.
Wenn es solche Bedenken gegen dieses Gesetzes, gegen Teile des Gesetzes gab, warum haben die Abgeordneten der SPD-Fraktion dennoch für das Gesetz gestimmt?
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, vollkommen auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten anstatt das BVerfG nun die Arbeit machen zu lassen?
Mit Dank im Voraus und freundlichen Grüßen
Sebastian Schwaner
Sehr geehrter Herr Schwaner,
ich habe gegen das Gesetz zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung gestimmt, weil auch ich es verfassungsrechtlich für umstritten halte. Umstritten bedeutet für mich, dass es mehrere Meinungen zu diesem Thema gibt, nicht nur eine.
Elementare Grundrechte wie das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Meinungsfreiheit sind betroffen. Es ist nicht erkennbar, weshalb es für eine effektive Strafverfolgung unerlässlich ist, Telekommunikationsverbindungsdaten und den Standort bei Beginn einer Mobilfunkverbindung sämtlicher Bürgerinnen und Bürger für sechs Monate zu speichern. Die Speicherung erfolgt ohne jeglichen Verdacht, ein intensiver Grundrechtseingriff wie dieser bedarf jedoch einer bestimmten Verdachts- und Gefahrenstufe. Verweise auf eine effektive Strafverfolgung sind dafür nicht ausreichend.
Nicht ohne Grund erteilt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Volkszählung von 1983 der Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken ein klares Verbot. Diese Auffassung bestätigte das Gericht noch einmal in seinem Urteil zur Rasterfahndung im Jahr 2005.
Deshalb ist es erforderlich, dass Eingriffe in die Grundrechte mit einem gewissen Augenmaß erfolgen. Sie dürfen sich nicht nur an den technischen Möglichkeiten orientieren, sondern müssen sich auch immer an der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger messen lassen. Für mich wiegen in diesem Fall die Bürger/innenrechte mehr als das Sicherheitsinteresse des Staates.
Die Gründe meiner Kolleginnen und Kollegen, dem Gesetz zuzustimmen, möchte ich hier nicht bewerten.
Der Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung folgte einer entsprechenden Richtlinie der EU. Richtlinien sind Rechtsakte der Europäischen Union, die in den Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind. Das heißt, sie müssen innerhalb einer gewissen Frist umgesetzt werden, da andernfalls ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gunkel, MdB