Frage an Wolfgang Gunkel von Rudolf H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Wolfgang Gunkel,
Sie haben sich in der Vergangenheit öfter auch kritisch zu bestimmten Beschlüssen und Vorhaben der Bundesregierung und Ihrer Fraktion geäußert. Jetzt gibt es einen Aufruf gegen die Bahnprivatisierung, der auch von sozialdemokratischen Abgeordneten unterzeichnet worden ist. Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Sehr geehrter Herr Homann,
auch in dieser Frage bin ich mit den Zielvorstellungen der Bundesregierung unzufrieden. Ich erkenne immer noch keinen klaren Grund, benötigte Zuschüsse an die Deutsche Bahn per Teilprivatisierung zu "erwirtschaften".
Nach den mir vorliegenden Informationen stelle ich nicht nur das Mittel der "Teilprivatisierung" zur Disposition, sondern frage mich, ob die Mobilisierung neuen Kapitals in diesem Umfang nötig ist. Sollte letzteres nach Meinung der Experten wirklich notwendig sein, um das "Unternehmen Zukunft" endgültig zukunftstauglich zu machen, so muss immer noch über den Weg zur Kapitalgewinnung gestritten werden. Die verfassungsrechtliche sowie verkehrs- und umweltpolitische Bedeutung der Deutschen Bahn erfordert einen sensiblen Umgang mit den hier zur Verfügung stehenden Vermögen und Ressourcen. Bevor eine nur unter hohen finanziellen Belastungen umkehrbare (Teil-)Privatisierung ins Auge gefasst wird, sollte über die staatlich-haushalterischen Unterstützungsmöglichkeiten debattiert werden. Sowohl die derzeitige Haushaltslage als auch die Möglichkeit von Bundesanleihen eröffnen Spielräume zur Kapitalbeschaffung.
Hinzu kämen bahnpolitische Effekte, die eine Teilprivatisierung auch aus Sicht der Kundinnen und Kunden für bedenklich gehalten würden.
Auch bei einem Minderheitsanteil privater Aktienbeteiligungen ist mit einem nicht unerheblichen Renditedruck zu rechnen, der dem Ziel des Gemeinwohls klar entgegen steht.
Mit der Teilprivatisierung wird gleichsam die Öffnung des Schienennetzes für private Betreiber angestrebt. Diese Konkurrenz soll den Kunden einen Preis- und Servicevorteil beschaffen.
Die Einheitlichkeit von Fahrplan, Tarifsystem sowie Service- und Sicherheitsstandarts sehe ich damit zu Ungunsten der Bahnkundinnen und -kunden gefährdet.
Dies und viele weitere Gründe lassen mich den Entwürfen zur (Teil-)Privatisierung sehr kritisch gegenüber stehen. Die grundgesetzliche Infrastrukturverantwortung verpflichtet den Bund, in jedem Fall Verlustausgleiche und zusätzliche Ausgaben der Bahn aus dem Bundeshaushalt zu tätigen. Dieser Zwang wird durch eine Teilprivatisierung nicht aufgehoben. Wenn der Bund aber immer noch die finanzielle Risikoverantwortung trägt, sehe ich keinen vernünftigen Grund für den teilweisen Verkauf bundeseigenen Vermögens.
Ich werde mich dafür einsetzen, dass in der SPD auf ihrem kommenden Bundesparteitag ein erster wichtiger Schritt zur Revision der Pläne der Bundesregierung getroffen wird. Der Bund ist weder finanziell noch rechtlich gezwungen, die Deutsche Bahn (teilweise) zu privatisieren. Daher streite ich dafür, derartige Pläne abzulehnen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gunkel