Frage an Wolf Klinz von Patrick Dr. B. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Klinz,
Die Rom I-VO soll inzwischen verabschiedet worden sein. Können Sie mir sagen, wie ich an den Text komme? Art. 9 Abs. 3 scheint mir brisant. Müssen deutsche Gerichte das ausländische Recht berücksichtigen, wenn es sich um wichtige Schutznormen handelt? Machen die den deutschen Vertrag ebenfalls kaputt, wenn das andere berührte Land die Vertragsnichtigkeit vorsieht? Für Altfälle führt wohl kein Weg zur Anwendung von Art. 9 Abs. 3?
Sehr geehrter Herr Dr. Bruns,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27. Mai 2008, in der Sie mich nach der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) fragen.
Die Verordnung wurde erst kürzlich im Rat beschlossen und wird demnächst im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht. Sie können jedoch gerne mein Büro kontaktieren ( wolf.klinz@europarl.europa.eu ) und zu Ihrer Information eine Vorabversion erhalten. Auch übersende ich Ihnen gerne eine aktuelle Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz zu diesem Thema.
Bezüglich Ihrer Frage nach Artikel 9 Absatz 3 kann ich Ihnen mitteilen, dass in Deutschland bereits vor Rom-I, Artikel 7 im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) die Anwendung zwingender Vorschriften geregelt hat. Diese Regelung ist auch in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten die Norm.
Rom-I Artikel 9 Absatz 3 stellt keine wesentliche Änderung der bereits bestehenden Regelung unter EGBGB Artikel 7 dar. Nachstehend finden Sie den vom Rat verabschiedeten Wortlaut des Artikel 9 Absatz 3:
"(3) Den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtun¬gen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, kann Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen. Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden."
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Wolf Klinz
Art. 7 Abs. 1 des Üereinkommens von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse (EVÜ) anzuwendende Recht von 1980 hat im wesentlichen den gleichen Wortlaut wie Art. 9 Abs. 3 Rom I. Allerdings hat Deutschland von der Vorbehaltesklausel des Art. 22 EVÜ Gebrauch gemacht und wendet Art. 7 Abs. 1 EVÜ nicht an. Daher ist diese Bestimmung auch nicht ins EGBGB übernommen worden.
Insoweit ist Art. 9 Abs. 3 Rom I ein Novum im deutschen Recht. Die "Kann" Bestimmung relativiert ihre Bedeutung aber insoweit, als es in das Ermessen eines Richters gestellt ist, ob und inwieweit zwingende ausländische Normen in einem konkreten Rechtsstreit anzuwenden sind. Durch diese Entscheidungsmöglichkeit des Richters wird die Rechtsunsicherheit, die regelmäßig bei der Anwendung ausländischen Rechts durch inländische Richter auftreten kann, stark vermindert. In Deutschland kommt hinzu, dass gem. Art. 6 EGBGB eine Rechtsnorm eines anderen Staates dann nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.