Frage an Winfried Bausback von Helmut S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Prof. Bausback,
Wie beurteilen Sie den sog. BDS-Beschluss des Münchner Stadtrats im Nachhinein im Lichte seiner Anwendung durch die Exekutive in München bzw. seiner Interpretation durch bayerische Gerichte. Es geht mir dabei einerseits um die Vereinbarkeit mit Grundrechten (Meinungs- und Informationsfreiheit etc.) und andererseits um die Auswirkungen auf die politische Kultur in München und Bayern.
Anwendung durch die Exekutive:
Kulturreferent Küppers begründete das gerichtlich abschlägig beschiedene Verbot einer Veranstaltung des Films "Broken", in dem die Mauer zwischen Israel und Palästina thematisiert wird, mit Verweis auf den BDS-Beschluss wie folgt:
„dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne auskommt, da insbesondere ein zentrales Ziel der BDS-Kampagne der Abriss der Mauer – verbunden mit der Aufforderung, die Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes zu beenden – ist“.
Interpretation durch Verwaltungsgericht München:
VG-Urteil vom 12.12.2018 / M 7 K 18.3672 / S. 18
"Ziel des Stadtratsbeschlusses ist es (...) sämtliche städtische Räumlichkeiten nicht mehr für Veranstaltungen - sowohl befürwortende als auch kritische - die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, zur Verfügung zu stellen."
Im Ergebnis heißt dies, dass Veranstaltungen mit Bezug zum Nahostkonflikt in Räumlichkeiten der Stadt München nicht mehr stattfinden können. Dies geschieht in einer Zeit, in der die israelische Regierung sich offen wie nie zuvor gegen die Zweistaatenlösung stellt, die im BDS-Beschluss als Ziel einer Friedenslösung ausgegeben wird: Nethanyahu spricht offen von der Annektion von Teilen der Westbank und legalisiert die sog. Outposts (Siedlungen, die auch nach israelischem Recht bisher illegal waren).
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich jedoch nur in Teilen eingehen kann. Als Landtagsabgeordneter habe ich keine näheren Einblicke in das Vorgehen des Münchner Stadtrates und der Münchener Stadtverwaltung.
So wie ich es verstehe, möchte - in Bezug auf das von Ihnen vorgebrachte Zitat des Kulturreferenten - die Stadt wohl vermeiden die Kampagne des BDS zu bewerben. BDS bedeutet "Boycott, Divestment, Sanctions", also "Boykott, Desinvestition und Sanktionen" gegenüber dem Staat Israel. Dabei nehme ich wahr, dass das Ziel dieser Vereinigung bzw. Kampagne die wirtschaftliche und politische Isolation Israels zum Ziel hat. Von vielen Seiten, wie auch dem Deutschen Bundestag, wird BDS als antisemitisch bewertet. Die Zielformulierung der Kampagne zeigt auch erschreckende Parallelen zu dem Judenboykott in der Zeit des Nationalsozialismus. Somit ist es absolut nachvollziehbar, weswegen die Stadt München selbst nicht damit in Verbindung gebracht werden möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Bausback