Frage an Wilhelm Halder von Frieder C. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Halder,
mit den aktuellen Plänen einer „Rechtsvereinfachung“ sollen die Hartz-IV-Leistungen zum 60. Mal verändert und verschärft werden. Die vom Verfassungsgericht angemahnten Nachbesserungen (Energiekosten, Elektrogeräte, Regelbedarfe, Brillen) blieben außen vor, auch die angekündigte Entschärfung der Sanktionen scheiterte. Stattdessen erfolgen richtungslose Schlechter- und Besserstellungen mit wenig durchdachten Änderungen wie z.B.
• Statt der Entschärfung bedrohender Sanktionen soll nun auch bestraft werden, wenn Hilfebedürftigkeit nicht verringert wird - eine weitere Sonderstrafe, die es in anderen Sozialleistungen nicht gibt. Fiktive „Was-wäre-wenn-Verläufe" führen in neue Rechtsunsicherheit.
• Wohnkosten sind schon jetzt der strittigste Bereich. Nun sind weitere Hürden mit einer tückischen Obergrenze für die Heizkosten vorgesehen, die zu einer „Rechtsverkomplizierung“ führen.
• Der Ausschluss von Azubis, Schülern und Studenten wurde großteils zurückgenommen - prima. Doch Studierende an Hochschulen in eigener Wohnung bleiben auf dem Weg „ganz nach oben“ ausgeschlossen. Zusätzlich wird für sie die Hilfe bei Mietschulden beseitigt.
• Hilfe in den vielen Notlagen wird für die Nothelfer unnötig erschwert. Überbrückungsdarlehen können nicht mehr abgetreten werden, weil mit der Pfändbarkeit auch die Abtretbarkeit von Alg-II-Leistungen beseitigt wurde.
Eine weitergehende kritische Gesamtkommentierung gibt es in der Bundestagsausschussdrucksache 18(11)484.
Hartz-IV-Bezieher wurden in der Vergangenheit bereits stark abgestraft. Dieses Vorhaben verschärft den Rechtsruck von Menschen, die befürchten, mit der Flüchtlingswelle weiter an den Rand gedrückt zu werden. Gefragt ist eine hohe soziale Sensibilität der Politik.
In wie weit teilen Sie diese Bedenken? Was können Sie ggf. tun, um neue Schlechterstellungen oder Verschärfungen für die Betroffenen zu verhindern?
Freundliche Grüße
Frieder Claus
Sehr geehrter Herr Claus,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Hartz IV-Leistungen.
Erst diese Woche wurde im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags über eine Petition gegen die Sanktionen bei Hartz IV debattiert. Leider wurde die Petition nicht angenommen, weshalb die Sanktionen weiterhin bestehen bleiben. Dies sehen wir Grüne als schweres Versäumnis an.
Expert*innen aus Wissenschaft und Verbänden sind sich einig, dass die Hartz-IV-Sanktionen dringend entschärft werden müssen. Vor allem Sondersanktionen für unter 25-Jährige und Kürzungen der Wohnungskosten halten wir für problematisch. In der Praxis hat sich auch gezeigt, dass Sanktionen keinen Sinn machen. Im Gegenteil – Sanktionen führen oft zu Isolation und sozialem Rückzug. Hinzu kommt, dass der Großteil der Sanktionen aufgrund von Meldeversäumnissen ausgesprochen wird. Gerade in diesen Fällen stehen Aufwand und Nutzen der Sanktionen in keinem Verhältnis zueinander.
Statt weiter an den Sanktionen festzuhalten, brauchen wir eine Grundsicherung, die die Sicherung des Existenzminimums in den Mittelpunkt stellt und die bei der Arbeitsmarktintegration auf Motivation, Hilfe und Anerkennung setzt. Wir Grüne stehen dafür, der Grundbedarf bei den Sanktionen ausgenommen wird. Darüber hinaus brauchen wir ein Wunsch- und Wahlrecht der Arbeitssuchenden in den Jobcentern sowie Ombudsstellen, um Konflikte frühzeitig zu lösen. Die Jobcenter sollten auf partnerschaftliche Zusammenarbeit setzen. – Das ist mit den heutigen Sanktionsregeln und –automatismen nicht vereinbar.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Willi Halder