Frage an Wilhelm Halder von Fabian L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Halder,
ich hätte gerne gewusst, wie sie zur Thematik und inhaltilichen Ausrichtung der Jugendorganisation ihrer Partei, der "Grünen Jugend" stehen.
Mich haben in den letzten Monaten doch einige dieser Punkte abgeschreckt.
Unter anderem die Patriotismus Debatte zur Fußball- EM 2012. Hier wurden Unverständnis für Symphatiebekundungen zur deutschen Mannschaft und zum deutschen Staat insgesamt geäußert.
Außerdem wurde jegliches Zeigen einer deutschen Fahne als rechsextremes, ausländer- und fremdenfeindliches Unterfangen gebrandmarkt.
Desweiteren wundert mich das öffentliche Bekenntnis der "Grünen Jugen" zur Abschaffung des Kapitalismus und der Hinwendung zum Sozialismus.
Auch über die Werbung und die Beteiligung an der Kampagne "Ich bin linksextrem" wundere ich mich doch sehr. Für mich sind alle Formen von Extremismus abzulehnen. Gerade von einer Partei in Regierungsverantwortung. Eine solche Verharmlosung von Extremismus ist nicht hinehmbar. Egal ob rechts oder links..
Es tut mir leid es sagen zu müssen, aber diese Aktionen der Partei machen die Partei für mich immer weniger wählbar. Und das obwohl ich in den letzten Jahren immer wieder stark mit den Grünen sympathisiert habe.
Daher würde ich gerne mal Ihre Meinung zu diesen Umtrieben in Ihrer Partei erfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Lippert,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Einige Kampagnen der Grünen Jugend riefen in der Vergangenheit teils heftige Reaktionen hervor. Als unabhängige Jugendorganisation vertritt die Grüne Jugend teilweise auch andere Positionen als Bündnis 90/Die Grünen. Als basisdemokratische Partei ist uns eine solche Meinungsvielfalt wichtig. Bei den von Ihnen angesprochenen Kampagnen ist es meiner Meinung nach entscheidend, die Einzelstatements im Gesamtkontext zu sehen.
Mit der Kampagne "Patriotismus - Nein Danke!" will die Grüne Jugend bewusst eine kritische Diskussion über Nationalstolz und Patriotismus anregen. Das Hauptargument bezieht sich dabei darauf, dass Patriotismus immer mit einem positiven Bild des "Vaterlandes" verbunden ist und damit eine Abwertung von Anderen erfolgt. In einem pluralistischen und multikulturellen Staat ist es meiner Meinung nach wichtig, dass auch solche Statements der Grünen Jugend öffentlich diskutiert werden. Dies spiegelt die Meinungsvielfalt in unserer Gesellschaft wider.
Hintergrund der Kampagne "Ich-bin-linksextrem" sind die Ermittlungspannen des Verfassungsschutzes vor allem im Zuge der NSU-Mordserie. Gleichzeitig werden bereits seit Jahren Persönlichkeiten und Organisationen aus dem "linken" Lager vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Beobachtung des DKP-Mitglieds (Deutsche Kommunistische Partei) Gerhard Bialas, der über Jahrzehnte hinweg in kommunalen Gremien in Tübingen mitarbeitete, oder die Beobachtung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) durch den Verfassungsschutz sind hier nur Beispiele und erscheinen mir im Hinblick auf die NSU-Gefahren äußerst fragwürdig. Im vergangenen Jahr wurden auch Mitglieder der Grünen Jugend in Niedersachsen vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Kampagne zielt demnach darauf ab, das teilweise nicht nachvollziehbare Vorgehen der Verfassungsschutzbehörden zu kritisieren. Ich kann Ihnen jedoch zustimmen, dass die "Wahl der Mittel" in diesem Fall etwas fragwürdig erscheint. Auch wir Grüne stellen uns ganz klar gegen jede Form von Extremismus und mahnen zum kritischen Umgang mit Linksextremismus und Rechtsextremismus.
Die Grünen haben seit jeher einen kritischen Blickwinkel auf den Kapitalismus. Für die Grünen geht es im Bereich des Wirtschaftssystems um eine ökologische Erneuerung der Produktions- und Konsumweise. Im Koalitionsvertrag von Grün-Rot in Baden-Württemberg finden sich diese Vorstellungen unter dem Stichwort "ökologische und soziale Modernisierung" wider. Eine Hinwendung zum Sozialismus ist mir weder von Seiten der Partei Bündnis 90/Die Grünen noch von der Grünen Jugend bekannt. Ganz im Gegenteil hat sich die Grüne Jugend in verschiedenen Stellungnahmen und Pressemitteilungen klar gegen ein System des "real-existierenden Sozialismus" ausgesprochen.
Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne an mich wenden.
Freundliche Grüße
Willi Halder