Frage an Wilfried Klenk von roland t.
Wie stehen Sie zu - der Beibehaltung und Weiterentwicklung der GMS
- der Absenkung des Klassenteilers an allen Schulen
- dem Gymnasium 2020
- der Abschaffung der Absenkung der Eingangsbesoldung um 8%
- der Abschaffung der bis Sommer befristeten TVL-Verträge
- dem Fach Ethik ab Klasse 1
- der besseren Ausstattung von Grundschulen (Leitungsaufgaben)
- der gleichen Bezahlung für alle Unterrichtenden (A13 = E13)
- der Abdeckung des künftigen Lehrerbedarfs
- der Schulpflicht ab dem dritten Monat für alle Flüchtlingskinder
Sehr geehrter Herr Theophil,
gerne möchte ich Ihre Fragen umfassend beantworten.
1. Beibehaltung und Weiterentwicklung Gemeinschaftsschule:
Nachdem die Gemeinschaftsschule in der Startphase zunächst nachgefragt war, zeigt der Landestrend zum Schuljahr 2015/16 ein stark verändertes Bild: So haben 124 der zum Schuljahresbeginn bereits bestehenden 209 Gemeinschaftsschulen (knapp 60 Prozent) rückläufige Schülerzahlen. Knapp ein Drittel der Gemeinschaftsschulen erreicht nicht einmal die zur Einrichtung geforderte Mindestschülerzahl von 40 Schülern. Entgegen der ursprünglichen Planung ist kein einziges Gymnasium zur Gemeinschaftsschule geworden; nur vereinzelte Realschulen ließen sich gewinnen, 405 Realschulen (rd. 95 Prozent) lehnten die Entwicklung ab. Offenbar kann die Gemeinschaftsschule die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Eltern reagieren bereits heute sensibel und melden weniger Kinder an den Gemeinschaftsschulen an.
Der Ende Januar 2016 vom Kultusministerium veröffentlichte Kurzbericht zur Begleitstudie der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg kommt wohlwollend zum Ergebnis, dass die Gemeinschaftsschulen weder besser noch schlechter als andere Schularten seien. Aber die Begleitstudie geht weiter – sie macht deutlich, dass schwache Schüler im selbstgesteuerten Unterricht – dem Herzstück der Gemeinschaftsschule – untergehen, Lehrerinnen und Lehrer trotz bevorzugter Ausstattung überlastet sind und überraschend wurde bei der Erhebung auf die Messung von Leistung gleich ganz verzichtet. Daher stellt sich uns die Frage, warum die Gemeinschaftsschulen mit mehr Lehrkräften als alle anderen Schularten bevorzugt ausgestattet werden sollen. Wir als CDU stehen für einen fairen Wettbewerb zwischen den Schularten und für eine gerechte Ressourcenausstattung.
Wir wollen den Gemeinschaftsschulen ein Angebot zur Weiterentwicklung machen, so dass beispielsweise Gemeinschaftsschulen leistungsdifferenziert unterrichten dürfen, Noten und Klassenwiederholungen wieder erlaubt sind, die Lehrerinnen und Lehrer sich auf Haupt- und Realschulabschluss konzentrieren können und künftig wieder mit einem Methodenmix unterrichten dürfen. Damit entsprechen wir den vielfach an uns herangetragenen Wünschen von Gemeinschaftsschulen.
2. Klassenteiler - Absenkung:
Wir lehnen entschieden die Benachteiligung der Realschule, des Gymnasiums sowie der weiteren differenzierten Schularten gegenüber der Gemeinschaftsschule ab. So kommen Klassenausgleichsmaßnahmen bei allen Schularten mit Ausnahme der Gemeinschaftsschule zur Anwendung. In der Folge sind dort die Klassengrößen nahe dem Klassenteiler, während an den Gemeinschaftsschule teilweise idealtypische Verhältnisse bestehen. Hierzu ein Beispiel: Liegen an einer Schule 29 Anmeldungen für die Klassenstufe 5 vor, so kann die Gemeinschaftsschule zwei Klassen mit 14 und 15 Schülern bilden; die anderen differenzierten Klassen müssen eine Klasse mit 29 Schülern einrichten.
Wir wollen eine gerechte Balance in der Zuweisung von Lehrerstellen und Sachmittelzuschüssen herzustellen. Die von Grün-Rot praktizierte Bevorzugung der Gemeinschaftsschule gegenüber allen anderen Schularten ist absolut ungerechtfertigt. Wir stehen für einen fairen Wettbewerb der Schularten auf Augenhöhe.
3. Abschaffung der bis Sommer befristeten TVL-Verträge Das Problem der befristet eingestellten Lehrkräfte ist nachvollziehbar. Wir wollen gemeinsam mit den Lehrerverbänden an einer Lösung arbeiten, wie diese schwierige Situation dauerhaft überwunden werden kann.
4. Ethik ab Klasse 1:
Wir nehmen wahr, dass in unserer pluralistischen Gesellschaft der Anteil an Schülerinnen und Schüler, die einer nicht-christlichen Konfession angehören oder konfessionslos sind, angestiegen ist. Für diese Kinder und Jugendlichen gibt es derzeit in den ersten sechs bzw. sieben Schuljahren keine spezifischen Unterrichtsangebote zur Vermittlung von Werten oder zur Bildung eines Wertebewusstseins, die mit dem katholischen oder evangelischen Religionsunterricht vergleichbar wären. Wir wollen einen verpflichtenden Ethikunterricht für die Schülerinnen und Schüler, die aus Glaubens- oder Gewissensgründen das ordentliche Lehrfach Religion nicht besuchen können. Für nicht konfessionell gebundene Schülerinnen und Schülern wollen wir ein möglichst früh beginnendes Angebot des Ersatzfaches „Ethik“.
5. Bessere Ausstattung von Grundschulen (Leitungsaufgaben):
Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler in der Grundschule bestmöglich auf ihren weiteren Lebensweg vorbereitet werden. Dazu sollen in der Grundschule gute Grundlagen in Orthographie, eine gut lesbare Handschrift und gute mathematische Grundfähigkeiten vermittelt werden. Hier wollen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.
Eine weitere Anhebung von Unterrichtsstunden muss mit Augenmaß geschehen, da im Grundschulbereich auch keine zu hohe Unterrichtsbelastung der Kinder eintreten darf. Hinzu kommt, dass Eltern gerade im Grundschulalter auch den deutlichen Wunsch haben, die Erziehung ihres Kindes selbst wahrnehmen zu dürfen.
Für uns gilt das Motto „kurze Beine, kurze Wege“. Mit dem weiteren Ausbau des Bildungshauses 3 - 10 sowie dem Instrument der jahrgangskombinierten Klassen sollen möglichst viele Grundschulen trotz der erwarteten demografischen Entwicklung eine Perspektive haben. Wir wollen auch in Zukunft ein möglichst wohnortnahes Bildungsangebot von hoher Qualität – auch im ländlichen Raum.
6. Bezahlung für alle Unterrichtenden (A13 = E13):
Leistung muss sich lohnen! Bereits im Zuge der Qualitätsoffensive Bildung hatten wir für 20 Prozent der Haupt-/Werkrealschullehrkräfte ein Beförderungsamt A 13 geschaffen. Die derzeitige Landesregierung hat dies aus nicht nachvollziehbaren Gründen gestrichen. Stattdessen will sie jetzt alle Neueinsteiger in A 13 besolden; erfahrene, motivierte und engagierte Lehrkräfte gehen leer aus. Das ist zutiefst ungerecht! Wir wollen ein Qualifizierungskonzept für Lehrkräfte an von der Schließung bedrohten Haupt-/Werkrealschulen, die auch einen möglichen Aufstieg beinhaltet. Unsere Forderung lief bislang ins Leere; nach der Landtagswahl wollen wir dies unverzüglich angehen.
7. Abdeckung des künftigen Lehrerbedarfs:
Nach dem Regierungswechsel hatte Grün-Rot die günstige Schüler-Lehrer-Relation massiv kritisiert und als Ressourcenverschwendung bemäkelt. Sie machte dabei einen Spielraum für den Abbau von 11.602 Lehrerstellen zur Haushaltssanierung aus. Nur durch unseren gemeinsam mit den Lehrern und Eltern vorgebrachten Widerspruch konnte das Schlimmste verhindert werden: Trotzdem wurden in 2013 insgesamt 1.000 Stellen abgebaut; in 2014 insgesamt 1.200 Stellen – die später durch freie Haushaltsmittel etwas kompensiert werden konnten. Mit Blick auf die Landtagswahl wurde 2015 der weitere Stellenabbau ausgesetzt – und voraussichtlich nach der Landtagswahl fortgesetzt. Eine Nachwirkung des geplanten Stellenabbaus ist, dass zahlreiche Studienanfänger sich gegen ein Lehramtsstudium entschieden bzw. den begonnenen Studiengang wechselten. Mit großer Sorge nehmen wir wahr, dass Grün-Rot die Streichung weiterer Lehrerstellen nach der Landtagswahl ins Auge fasst.
Wir als CDU wollen die durch einen demografisch bedingten Schülerrückgang möglicherweise freiwerdenden Stellen erst dann zurückführen, wenn die Unterrichtsversorgung in allen Schularten für den Pflicht- und Ergänzungsbereich vollständig gesichert ist. Wir wissen, dass eine günstige Schüler-Lehrer-Relation der Qualität des Unterrichts – und damit jeder Schülerin und jedem Schüler – zugutekommt.
8. Schulpflicht ab dem dritten Monat für alle Flüchtlingskinder:
Eine möglichst frühzeitige Beschulung halte ich vor dem Hintergrund der bestmöglichen Integration für wichtig.
Eine aktuelle Herausforderung für alle Schulen – und in besonderem Maße für die beruflichen Schulen. Flüchtlinge werden in sogenannten Sprachförderklassen, an den beruflichen Schulen in sogenannten VABO-Klassen (Vorbereitung Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse), unterrichtet. Der Bedarf an diesem Bildungsangebot steigt an allen Schularten rasant. Die jugendlichen Flüchtlinge kommen mit unterschiedlichsten kognitiven Voraussetzungen und persönlichen Erfahrungen an die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind zweifellos engagiert; aber natürlich nur bedingt auf diese vielfach traumatisierten Kinder und Jugendlichen vorbereitet.
Wir wollen geeignete Maßnahmen ergreifen, damit jugendliche Flüchtlinge mittelfristig möglichst erfolgreich ins Berufsleben starten können:
* Die Lehrereinstellung an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen muss umgehend auf die veränderte Bedarfslage angepasst werden.
* Die Lehrerinnen und Lehrer müssen systematisch durch Fortbildungen auf diese besondere Situation vorbereitet werden.
* Der Klassenteiler für die Flüchtlingsklassen muss kritisch hinterfragt und bei Bedarf ggf. flexibel angepasst werden.
* Der Einsatz von pädagogischen Assistenten in den Flüchtlingsklassen kann eine Option sein.
* Das Angebot an Schulsozialarbeit muss ggf. bedarfsgerecht aufgestockt werden.
* Beratungs- und Unterstützungsangebote müssen für die Lehrkräfte bereitgestellt werden.
Jugendliche Flüchtlinge werden im Anschluss weitere allgemeinbildende Schulabschlüsse anstreben oder in Einzelfällen eine duale Ausbildung beginnen. Es muss daher unser Ziel sein, dass diese jugendlichen Flüchtlinge möglichst rasch qualifiziert werden können. Dazu gehört auch eine entsprechende Sprachförderung mindestens auf Niveau B1. Nur so können sie langfristig ihren Platz im Beschäftigungssystem finden.
Wir müssen aber auch ein Augenmerk darauf richten, dass in allen Familien zumindest auch deutsch gesprochen wird. Eltern müssen fähig sein, ihre Kinder beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen. Deshalb wollen wir die Bildungsangebote für die Sprachförderung von Eltern verbessern. Dabei wollen wir aus den guten Erfahrungen lernen, die einige Städte bereits gemacht haben. Wir wollen prüfen, ob wir den Spracherwerb von Eltern durch eine geeignete Ausgestaltung staatlicher Leistungen (Elterngeld, Betreuungsgeld) verbessern können. Auch sollten Eltern ihren Kindern frühzeitig den Kontakt mit deutschsprachigen Kindern ermöglichen (zum Beispiel durch Besuch einer Kindertagesstätte).
Wir wollen das Sprachkursangebot unter praktischen Gesichtspunkten fördern. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht nur den Wortschatz vermitteln, sondern ein größeres Gewicht auf Hörverstehen und eigenes Formulieren legen.
Mit freundlichen Grüßen
Wilfried Klenk MdL