Wibke Brems steht mit verschränkten Armen vor einem Solarmodul.
Wibke Brems
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin P. •

Frage an Wibke Brems von Martin P. bezüglich Energie

Frau Brems,

Sie als Elektrotechnikingenieurin müssten doch wissen, dass 100% Erneuerbare für NRW Quatsch ist. Oder wie wollen Sie das erreichen? Und wie wollen Sie mir garantieren, dass mein Toaster und meine Kaffemaschine morgens noch laufen, wenn die Sonne nicht scheint? Entschuldigen Sie die populistische Ausdrucksweise, aber ich mache mir Sorgen um unsere Energieversorgung.

Beste Grüße

M.Peters

Wibke Brems steht mit verschränkten Armen vor einem Solarmodul.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr Peters,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Frage zu den Anforderungen an ein zukünftiges Energiesystem mit nahezu 100% Erneuerbaren, auf die ich gerne eingehen möchte.

Gerade als Elektrotechnik-Ingenieurin weiß ich, dass eine Stromversorgung aus 100% Erneuerbaren Energien möglich ist. Klar ist, dass es sich dabei um keine einfache Veränderung handelt. Viele Herausforderungen kommen auf uns zu, einige kurz- andere eher langfristig. Aber ich weiß, dass wir sie lösen können, die Veränderung muss nur endlich bundesweit auch wirklich gewollt und unterstützt werden.

Im Folgenden gehe ich auf die Herausforderungen ein, die ich sehe:

Wie Sie richtig anmerken, besteht ein erheblicher Forschungsbedarf und Entwicklungsbedarf im Bereich Speichertechnologien, im Netzmanagement und des Marktdesigns für ein 100% EE-Szenario. Dies ist bisher auch aufgrund der fehlenden finanziellen Anreize nicht ausreichend geschehen. Aber schon heute gibt es in NRW vielfältige Pläne zur Schaffung von Speicherkapazitäten, die bei fehlender Wind- und Sonneneinspeisung einspringen können. So wird in der Eifel und im Kreis Höxter ein Pumpspeicherkraftwerk geplant, in Münster und Oberhausen beschäftigen sich führende Forschungsinstitute mit Batterien und weitergehenden Speicherkonzepten und selbst die Steinkohle RAG forscht an möglichen Pumpspeicher- und Geothermiepotentialen in ihren alten Zechen.

Aber neben der Speicherung bestehen weitere Beiträge der Erneuerbaren zur Systemstabilität. So ist die klassische Unterscheidung in Grund-, Mittel,- und Spitzenlast mit einem erhöhten Anteil Erneuerbarer Energien überholt. Die fluktuierenden Erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie müssen in Zeiten einer Flaute ausgeglichen werden durch regelbare Erneuerbare (Biomasse, Geothermie), mit unterschiedlichen Technologien gespeicherte Energie und (bis der Ausbau dieser soweit ist) durch CO2-arme, flexibel regelbare Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Spannend ist jedoch auch, dass die Erzeugungsspitzen von Wind- und Sonnenstrom meist mit den Lastspitzen zusammenfallen. Die meiste Energie steht so zur Mittagszeit zur Verfügung und wird zur Mittagszeit abgefragt.

Zudem erlaubt ein intelligentes Netz auch ein nachfrageseitiges Lastmanagement. So könnten die Angebot und Nachfrage folgenden schwankenden Strompreise auch die Stromspitzen ausgleichen. Die derzeitige Strompreisbildung beim Endkunden entspricht schließlich nicht dem echten Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage und Spitzenlaststrom muss heute teuer eingekauft werden.

Wird der Verbraucher über die echten aktuellen Strompreise informiert, kann auch sein Verhalten sich effizient und die Gesamtkosten der Stromerzeugung minimierend ändern. Gerade in der Nacht ist die Nachfrage nach Strom sehr viel geringer als zu Spitzenzeiten am Tag (die heutige Überkapazität in der Nacht führt ja zu so ineffizienten Geräten wie der Nachtspeicherheizung). Daher muss nur ein Teil der Last hier durch regelbare Energien kompensiert werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Netzausbau, sodass eventuelle Überkapazitäten in laststarke Regionen transportiert werden können.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien bringt die oben beschrieben Herausforderungen mit sich, die allerdings lösbar sind. Schaut man sich die Ziele der Bundesregierung zur CO2-Einsparuing für das Jahr 2050 an (80-95% Einsparung zum Basisjahr 1990), so bleiben die dann noch möglichen Emissionen für die produktionsbedingten Emissionen, beispielsweise in der Stahlindustrie. Das bedeutet, dass bis dahin die gesamten anderen Sektoren, also die Strom- und die Wärmeversorgung und der Verkehr, komplett CO2-frei sein müssen. Und dafür stehen auf Dauer nur die Erneuerbaren Energien zur Verfügung.

Jede Energiequelle hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile, die es intelligent und im Dialog mit allen Beteiligten auszutarieren gilt. Ich denke jedoch, dass die technischen Potenziale im Bereich der Erneuerbaren, der Kraft-Wärme-Kopplung und insbesondere der Energieeinsparung bisher nicht annähernd ausgeschöpft wurden. Hier setzt das Grüne Energiekonzept an und stellt sich den Herausforderungen, die Klimaschutz, Endlichkeit der fossilen Ressourcen und (Versorgungs-) Sicherheit gestellt haben.

Ich hoffe, Ihnen damit ein wenig die Sorge genommen zu haben, in einer grünen Zukunft Ihren Toast morgens nicht mehr essen zu können. Gerade als Elektrotechnik-Ingenieuren bin ich - wie oben dargestellt - fest davon überzeugt, dass die Energiewende zwar eine große Herausforderung, aber dennoch möglich und schaffbar ist!

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Ing. (FH) Wibke Brems
ehem. Sprecherin für Klimaschutz und Energiepolitik

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