Frage an Werner Langen von Marie-Luise V. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Langen,
Bundespräsident Köhler sieht sich zur Zeit außerstande, den Vertrag zu unterzeichnen. Warum? Welche Auswirkungen auf unsere Gesetzgebung/Verfassung wird der o.g. Vertrag haben? Verliert das Bundesverfassungsgericht durch die Ratifizierung des Vertrags an Bedeutung und Einfluß? Was muß das Bundesverfassungsgericht entscheiden? Peter Gauweiler hat eine Organklage und eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Wie bewerten Sie diese? Wieso ist es eigentlich nicht gelungen, die Iren aufzuklären?
Sehr geehrte Frau Volk,
zunächst vielen herzlichen Dank für Ihre Fragen vom 8. Oktober 2008.
Die Hauptpunkte von Peter Gauweilers Organklage, Verfassungsbeschwerde und Antrag auf einstweilige Anordnung gegen den Lissabon-Vertrag sind die Entstaatlichung Deutschlands, die Reduzierung des Grundrechtsschutzes und Demokratiedefizite. Die deutsche Souveränität würde sich - so Gauweiler - nur noch auf marginale Bereiche erstrecken.
Der Vertrag von Lissabon ist allerdings das Ergebnis langjähriger Beratungen unter voller Einbeziehung der Parlamente und der Öffentlichkeit. Der EU-Reformvertrag stellt die Gleichberechtigung des Europäischen Parlaments mit dem Rat sicher und stärkt die nationalen Parlamente. Der Vertrag führt Mehrheitsentscheidungen mit doppelter Mehrheit ein. Da wir eine demokratischere, effizientere und transparentere Europäische Union wollen, werden wir den Ratifizierungsprozess fortführen. Somit verweisen die Klagepunkte auf Umstände, welche durch den Vertrag von Lissabon verbessert werden würden.
Bundespräsident Horst Köhler hat die deutschen Gesetze zur Umsetzung des Vertrages von Lissabon nach langer, intensiver Prüfung ausgefertigt. Anders als die Kläger in Karlsruhe hat der Bundespräsident keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen, die ihn an der Ausfertigung gehindert hätten. Über die völkerrechtliche Ratifizierung des Vertrages wird er befinden, wenn das Bundesverfassungsgericht abschließend entschieden hat. Dadurch bleiben den Karlsruher Richtern für ihre Anfang kommenden Jahres erwartete Entscheidung natürlich alle Möglichkeiten, da Deutschland nach außen durch die Entscheidung des Bundespräsidenten nicht gebunden wird.
Die Debatte im Vorfeld des irischen Referendums wurde hauptsächlich mit innenpolitischen Argumenten geführt. Viele Menschen haben also die Abstimmung nicht als Entscheidung über die Zukunft Europas angesehen.
Ich hoffe, daß Ihnen diese Antwort einen besseren Überblick zum Thema des Lissabonvertrages gibt und verbleibe,
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Dr. Werner Langen, MdEP