Frage an Werner Langen von Michael M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Langen,
wie kann das Demokratiedefizit in der EU abgebaut werden, das der Bürger die EU nicht als Veranstaltung nationaler Regierungen empfindet?
Beispiel : Ernennung der Kommission. Die Wahl des Kommissionspräsidenten hat nach 35 Jahren Parlamentsdirektwahl einfach viel zu lange gedauert.
Bei vielen Normenumsetzungungen verstecken sich die nationalen Regierungen und Parlamente hinter EU Vorgaben, die es teilweise gar nicht gibtallzusehr in nationale Befindlichkeiten allzu stark
Die EU regelt Materialbeschaffenheit Länge und Durchmesser von Schrauben, aber bei sicherheitsrelevanten Dingen, wie Auslöser von Sicherheitsgurten in Fahrzeugen und Feuerlöschern macht jeder Hersteller was er will.
Wie können die Rechte des Parlamentes so ausgestaltet werden, das Normenumsetzungen des EU Parlamentes nicht mehr in 27 Parlamenten einzeln abgesegnet werden müssen.
Wie kann Europa eine integrierte Außen-, Innen-, Verteidigungs-, Sozial- und Wirtschaftpolitik generieren, um nach außen als Einheitlicher Block wahrgenommen zu werden.
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie sprechen wichtige Fragen an.
Es ist richtig, dass die Europäische Kommission im Rahmen der Binnenmarktgesetzgebung oft Regulierungen vorgeschlagen hat, bei denen es äußerst fraglich war, ob dies auf europäischer Ebene zu regeln ist. Als Beispiel ist hier das vorgeschlagene, vom Parlament gestoppte Verbot von Olivenölfläschchen im Restaurant zu nennen. Genau vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, dass das Europäische Parlament in den letzten Jahren immer stärker an Bedeutung und Einfluss gewonnen hat. Durch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren hat das Europäische Parlament als einzige direkt demokratisch legitimierte EU-Institution Gesetzesentwürfe substanziell verändert oder ganz zurückgewiesen. Der gewachsene Einfluss des Parlaments hat das behauptete "Demokratiedefizit" der EU erheblich verringert.
Zu Ihrem Beispiel: Der Kommissionspräsident ist seit 1979 immer vom Parlament mit qualifizierter Mehrheit gewählt worden und zwar doppelt: Einmal als Kandidat für das Amt als Präsidenten der Kommission und ein weiteres Mal nach Anhörung mit den anderen Kommissaren. Das Vorschlagsrecht lag und liegt bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Bei diesen Wahlen gilt das erste Mal der Vertrag von Lissabon, der besagt, dass die Staats- und Regierungschef bei ihrem Vorschlagsrecht das Wahlergebnis "berücksichtigen" müssen.
Zu Ihrem zweiten Punkt: Ja, da haben Sie vollkommen recht. Der deutsche "Bürokratieaufschlag" ist besonders hoch, m.E. ca. 50%!
Zu Ihrem dritten Punkt, warum die EU nur "nicht relevante Dinge" regelt: Das stimmt so nicht, gerade die Verkehrssicherheit ist Gegenstand vielfältiger Regelungen, z.B. im Bereich des Fußgängerschutzes, Lärmschutzes und bei standardisierten Sicherheitstests.
Zu Ihrer Frage nach einer einheitlichen Umsetzung aller europäischer Gesetze: Es gibt zwei Arten in der europäischen Gesetzgebung. Verordnungen gelten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, wobei Umsetzungsfragen (verantwortliche Behörde etc.) national zu regeln sind. Richtlinien müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Sicherlich ist es denkbar, dass alle europäischen Gesetze direkt und unmittelbar in allen 28 Mitgliedstaaten gelten. Die Form der Richtlinie bietet aber gerade den nationalen Parlamenten Flexibilität bei der Umsetzung, um auf nationale Unterschiede und Besonderheiten eingehen zu können (auch wenn diese Flexibilität nicht immer zufriedenstellend genutzt wird). Viel entscheidender ist m.E. die Frage, in welchen Bereichen ein europäisches Vorgehen einen wirklichen Mehrwert bietet und wo auf kommunaler oder nationaler Ebene effizientere und unbürokratischere Lösungen gefunden werden können.
Die von Ihnen im fünften Punkt erwähnte integrierte Außen- und Verteidigungspolitik ist ein Beispiel, wo m.E. Europa einen echten Mehrwert bieten kann. Die weiteren von Ihnen angesprochenen Politikbereiche europäisch zu koordinieren ist eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft. Da haben Sie recht!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Werner Langen