Frage an Werner Langen von Hubert J. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Dr. Langen.
In dem Buch „ Die korrupte Republik“ beschäftigt sich der Journalist Tillack im Kapitel 8 mit dem Untertitel „Betrugsmetropole Brüssel“ u.a. mit den Themen Mitarbeiterpauschale, Olaf, Eurostat, IAS, AdR usw. Auf der Seite 215 werden Sie wörtlich zitiert.
Frage:
Stimmt es, dass seit 1994 der Europäische Rechnungshof dem von der Kommission verwalteten EU-Büdget, in Höhe von jährlich rd. 130 Milliarden Euro, Jahr für Jahr das Testat für die ordnungsgemäße Haushaltsführung verweigert?
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Jenni
Sehr geehrter Herr Jenni,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 24.05.2009. Ich antworte Ihnen nach Rücksprache mit der für die Haushaltskontrolle zuständigen Kollegin Dr. Inge Grässle.
Richtig ist, dass der Europäische Rechnungshof seit 1994 eine so genannte Zuverlässigkeitserklärung für die Verausgabung der EU-Mittel abgibt. Bis dato konnte der Rechnungshof jedoch noch in keinem Jahr eine positive Zuverlässigkeitserklärung für die Europäische Kommission abgeben, die die letztendliche Verantwortung für den operativen Teil des EU-Haushalts trägt. Dies hat verschiedene Gründe: Der Europäische Rechnungshof untersucht in seinem Jahresbericht die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben, d.h. einerseits die korrekte Verbuchung und Rechnungsführung und andererseits die Übereinstimmung der Ausgaben mit den geltenden Regeln (z.B. im Bezug auf Förderfähigkeitskriterien). Der Maßstab für die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit ist eine Fehlergrenze von 2%, d.h. wenn die Fehler (unabhängig davon, ob es sich schlicht um ein falsches Komma oder um substantielle Falschangaben handelt) weniger als 2% ausmachen, kann eine positive Zuverlässigkeitserklärung abgegeben werden. Diese 2%-Grenze stammt aus der privatwirtschaftlichen Rechnungslegung, ihre Anwendung für ein so komplexes Gebilde wie den europäischen Haushalt ist daher teilweise umstritten. Nichts desto trotz kann die EU Fehlerquoten von nahe an 2% nachweisen, z.B. bei den EU-Agrarausgaben. Andere Bereiche wie die Europäische Entwicklungshilfe oder die Strukturfonds weisen hingegen deutlich höhere Fehlerquoten auf, was im Durchschnitt zu einer Überschreitung der 2% führt, weshalb der Europäische Rechnungshof bislang keine positive Zuverlässigkeitserklärung abgeben konnte. Ein Hauptproblem dabei ist, dass derzeit rund 80% der EU-Gelder nicht direkt durch die Europäische Kommission sondern durch die Mitgliedsstaaten verausgabt werden. Dies entlastet die Kommission jedoch nicht von ihrer Verantwortung für den Gesamthaushalt. Es führt jedoch zu einer Reihe von komplexen Mechanismen mit Berichtspflichten, diversen Kontrollen innerhalb der Verwaltungen und vor Ort bei den Beihilfeempfängern, sowie der Wiedereinziehung von unrechtmäßig verausgabten EU-Mitteln. Ganz am Ende steht die Prüfung durch den Europäischen Rechnungshof. Das Europäische Parlament muss dann auf Grundlage des Jahresberichts des Rechnungshofs die Europäische Kommission entlasten. Auf Druck des Parlaments und durch zahlreiche in den Entlastungsresolutionen gemachten Vorschlägen konnte die Europäische Kommission sich in der Haushaltsführung deutlich verbessern, auch wenn die 2% und damit die positive Zuverlässigkeitserklärung weiterhin nicht erreicht werden konnten.
Bezüglich des Zitats von Herrn Tillack kann ich nur unterstreichen, dass die Beanstandung meines Wissens britische und nicht deutsche Kollegen betraf. Deshalb das Zitat aus einer Pressemeldung!
Ich hoffe, diese Informationen sind für Sie von Nutzen und geben Ihnen einen Hintergrund zu den von Ihnen zitierten Aussagen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Werner Langen