Frage an Waltraud Wolff von Christian U. bezüglich Recht
Werte Frau Wolff,
Ich würde Sie gern Fragen wie Sie zum Koalitionsvertrag stehen.
Besonders zu den Themen Fraktionszwand (S. 184)
und Vorratsdatenspeicherung.
Wieterhin würde mich interessieren wie Sie zur Abstimmung über den Koalitionsvertrag stehen. Schließlich wird diese nicht von gewählten Volksvertretern durchgeführt.
Sehr geehrter Herr Ulirch,
Sie haben mich gebeten, zu drei Themen Stellung zu nehmen. Gerne komme ich dieser Bitte nach:
· Vorratsdatenspeicherung: Ich weiß, dass die anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten umstritten ist. Die im Koalitionsvertrag enthaltene Formulierung sieht eine Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grenzen vor, um Zwangsgelder wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie zu vermeiden. Es ist bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig. Die Koalitionsvereinbarung sagt: "Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken." Ich hätte mir hier eine deutlichere Formulierung gewünscht, die klar macht, dass wir uns für eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene einsetzen (Reduzierung der Speicherdauer, Differenzierung der Datenarten, rechtsstaatliche Absicherungen etc.). Darüber hinaus wäre es aus meiner Sicht notwendig, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten, der derzeit die Vereinbarkeit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundwerten überprüft. Ich bitte Sie, diese Vereinbarung auch im Zusammenhang mit dem zu bewerten, was wir verhindert haben. So hat die Union in den Verhandlungen beispielsweise eine deutliche Ausweitung der Online-Durchsuchung und die Überwachung der Internetknoten gefordert, was eine flächendeckende Ausleitung und Auswertung des Datenstroms bedeuten würde. Hier haben wir deutlich gemacht, dass es derart unverhältnismäßige Maßnahmen mit der SPD nicht geben wird.
· Fraktionszwang: Im Koalitionsvertrag heißt es: "Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab." Das bedeutet, dass Union und SPD vereinbart haben, auf Basis des Koalitionsvertrages Einvernehmen über das Abstimmungsverhalten herzustellen. Sie haben auch vereinbart, Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen gemeinsam einzubringen. Ich halte dies für die Arbeit im Parlament für notwendig und legitim. Ich würde dies aber für mich als Fraktionsdisziplin bezeichnen, die ihre Grenzen hat. Sie ist notwendig, weil wir als Fraktion nur gemeinsam etwas erreichen können. Sie hat ihre Grenzen, wo ich Kompromisse nicht mehr mit mir selbst vereinbaren kann. In solchen Fällen habe ich auch anders als meine Fraktion gestimmt: Ich sagte aus Gewissensgründen z.B. Nein zur Rente mit 67, zu Hartz IV und zu Kampfeinsätzen.
· Abstimmung über den Koalitionsvertrag: Bei der Bundestagswahl haben die Menschen in Deutschland zum einen die Wahlkreisabgeordneten gewählt. Sie haben zum anderen - über die Wahl einer Partei-Liste - über das Mehrheitsverhältnis im Bundestag und indirekt über die über die Listen gewählten Abgeordneten abgestimmt. Den Koalitionsvertrag haben nun die Fraktionen und Parteien von CDU, CSU und SPD verhandelt. Nun müssen auch die Fraktionen und die Parteien dem Verhandlungsergebnis zustimmen. Dies entspricht aus meiner Sicht der Mischung aus direkten Stimmen und Parteien-Stimmen in unserem Wahlrecht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits über den Koalitionsvertrag abgestimmt und diesem zugestimmt. Ohne diese Zustimmung würde er nicht in Kraft treten. Die Partei SPD hat beschlossen, dass über ihre Zustimmung die Mitglieder entscheiden. Dies halte ich für genauso legitim wie die Entscheidungen der Unionsparteien, darüber den Vorstand bzw. einen kleinen Parteitag entscheiden zu lassen. Als SPD-Mitglied finde ich es gut, dass die SPD sich traut, das Verhandlungsergebnis den Mitgliedern zur Entscheidung vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Waltraud Wolff