Frage an Walter Kolbow von Wolf Michael K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Kolbow!
Zur Zeit macht die Famile Dudek Schlagzeilen, die ihre Kinder zuhause unterrichtet. Der älteste Sohn hat gerade seinen Realschulabschluß mit einem Notendurchschnittt von 1.1 absolviert. Die Kinder sind durch Ehrenämter und Vereinsmitgliedschaften bestens sozial integriert. Nun sind sie zu insgesamt 6 Monaten Haft verurteilt worden, weil ihnen die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mehr am Herzen liegt, als die in D geltende Schulpflicht. Was für ein Problem hat der Staat damit, wenn Eltern sich dem Grundgesetz beugen und die Ihnen "zuvörderst obliegende Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder" erfüllen? Das schließt für mich die Schulbildung ein. Die sogenannte Schulpflicht aus dem letzten Jahrhundert hat sich zeitlich überholt. Wenn die Schüler durch Homeschooling vergleichbare oder, wie in diesem Fall, sogar bessere Leistungen abrufen können, und darüber hinaus sozial besser integriert sind, was spricht dann dagegen? Oder sieht hier der Staat möglicherweise sein Pfründe gefährdet und sieht sich deswegen veranlasst, die Bürger zu ihrem "Glück" zu zwingen?
Mit freundlichen Grüßen aus Würzburg,
Wolf Michael Kröger
Sehr geehrter Herr Kröger,
die Beantwortung Ihrer Frage stellt mich vor ein Dilemma: einerseits erwarten Sie von mir eine Antwort und das ist natürlich auch Ihr gutes Recht. Dies ist die Idee hinter abgeordnetenwatch.de und ich unterstütze dieses Projekt nachdrücklich.
Andererseits betrifft Ihre Frage eindeutig die Zuständigkeit der Bundesländer, hier des Freistaats Bayern. Ich habe es in meiner nun fast 30-jährigen Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter stets so gehalten, dass ich mich aus eindeutigen Zuständigkeiten der Länder herausgehalten habe. Ich führe gerne die Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Föderalismus mit Ihnen, dies ist dann wiederum ein Thema, das einen Bundestagsabgeordneten genauso betrifft wie ein Mitglied der deutschen Landesparlamente. Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland aber liegt die Hoheit über das Schulwesen unbestritten bei den Ländern. An diesem Konstrukt möchte ich nicht rütteln und mich daher auch nicht einmischen, zumal eine Föderalismus-Diskussion Ihnen bei dieser konkreten Frage erst einmal auch nicht weiter helfen würde.
Da ich aber gerne weiter helfen möchte, habe ich diese Frage an Karin Pranghofer weiter geleitet. Sie ist im Bayerischen Landtag unsere unterfränkische Frau für Bildung und Erziehung. Ich bin mir sicher, dass Sie von ihrem Büro eine entsprechende Antwort bekommen werden.
In Deutschland ist die Schulpflicht nicht im Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz geregelt, sondern – als Ausdruck der Kulturhoheit der Länder – nur in den einzelnen Landesverfassungen. Seit vermehrt Eltern ihre Kinder nicht zum Besuch der Schule anhalten, koordinieren die Schulbehörden ihr Vorgehen untereinander bundesweit und handhaben alle Befreiungen von der Schulpflicht sehr restriktiv. Das haben Sie an diesem konkreten Fall bestätigt. Allerdings ist (und bleibt auch nach der Föderalismusreform II) eine bundesweite Koordinierung in solchen Fällen dennoch Ländersache.
In einigen Bundesländern ist eine Befreiung von der Schulpflicht möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und eine gleichwertige Förderung möglich ist. Im Freistaat Bayern wurde die Schulpflicht in der Bayerischen Verfassung verankert. Eine Befreiung von der Schulpflicht ist in Bayern aber nicht möglich. Inwieweit es parlamentarische Initiativen gibt, dies zu ändern, kann Ihnen Karin Pranghofer beantworten.
Ich hoffe, ich kann Ihnen mit der Weiterleitung Ihres Anliegens
zumindest indirekt helfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Walter Kolbow