Portrait von Walter Kolbow
Walter Kolbow
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Walter Kolbow zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Volker K. •

Frage an Walter Kolbow von Volker K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Kolbow,

ich bin seit 24 Jahren erkrankt an Morbus Crohn, habe einen künstlichen Ausgang, Rheuma und meine Rente seit 1992. Habe die ersten Jahre chemische Arzneien eingenommen und 15 Jahre keinen guten Gesundheitszustand erreicht. Dann nahm ich Cannabis als Medikament ein und mein Gesundheitszustand verbesserte sich! Anstatt kranken Menschen zu erauben Cannabis als Medikament zu nutzen, sperrt ihr sie stattdessen ein. Finden sie das Richtig? Ich muss das Land, meine Eltern, Familie und Freunde verlassen um menschenwürdig leben zu können! Ich scheiss auf dieses Land die die Leute bestraft, ausnutzt und versklavt. Das was hier die Politik macht ist moderne Sklaverei! Ihr steckt tausende von Euro in die Tasche und verlangt von Rentnern, Arbeitern und Hartz 4lern sich ein zuzschränken und im Gegenzug erhöht ihr eure Diäten maßlos.

Was wollen sie für mich und überhaupt für dei Menschen tun?
Über eine baldige Antwort würde ich mich freuen.

Peace and Love!

Volker Krug

Portrait von Walter Kolbow
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krug,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 18. Mai 2008, in der Sie sich auf das Thema der medizinische Nutzung von Cannabis beziehen. Ihr Fall hat mich persönlich bewegt. Gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung.

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Artikel 4 Buchstabe c des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 verpflichtet, die Verwendung von Cannabis (und anderen Suchtstoffen) auf ausschließlich medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die SPD Cannabis nicht als harmlose Droge ansieht, denn in aktuellen Studien wurde auf eine ganze Reihe akuter und langfristiger Beeinträchtigungen hingewiesen. Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung vom 13.11.2006 zur „Verwendung von Cannabis zu therapeutischen Zwecken“ (BT-Drs. 16/3393) ausgeführt, handelt es sich bei Cannabis nach wie vor um ein nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel, dessen therapeutischer Nutzen – abgesehen von Dronabinol bei bestimmten Indikationsbereichen – bis heute nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen ist. Der Bundesregierung sind zwar Studien zu bestimmten definierten und standardisierten Cannabisextrakten bekannt, jedoch haben auch diese Studien bislang keinen endgültigen Wirksamkeitsnachweis erbracht. Deshalb kommt derzeit auch eine Umstufung von Cannabisprodukten – über Dronabinol hinaus – nicht in Betracht.

Um betroffenen Patienten den Weg aus der illegalen medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten zu ermöglichen, besteht die Möglichkeit, die Cannabis-Wirkstoffe Dronabinol und Nabilon mit einem Betäubungsmittelrezept zu verschreiben. Dem hat sich mit Urteil vom 4.4.2006 (AZ: B 1 KR 7/05 R) auch das Bundessozialgericht angeschlossen. Für die Sozialgerichte bedeutet das: Sie können jetzt nicht mehr jede Klage auf Kostenerstattung für arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Medikamente und Behandlungen mit dem Hinweis auf SGB V ablehnen, sondern sie müssen prüfen, ob der Patient die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen erfüllt.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. Dezember 2005 (AZ: 1 BvR 347/98) geurteilt, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen im Einzelfall unter folgenden Voraussetzungen auch die Kosten für arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Medikamente erstatten müssen:
- Der Patient leidet an einer lebensbedrohlichen oder zum Tode führenden Erkrankung.
- Die herkömmlichen, anerkannten medizinischen Behandlungsmethoden sind ausgeschöpft. Das heißt: Der Patient muss nachweislich austherapiert sein.
- Die Behandlung hat einen nicht ganz entfernt liegenden Heilungserfolg oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Im Mai 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) im öffentlichen Interesse liegen kann, sofern sie der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung dient. Das kann im Einzelfall auch den Einsatz von (nicht verschreibungsfähigen) Betäubungsmitteln zur individuellen therapeutischen Anwendung umfassen. Das für die Erteilung der erforderlichen Ausnahmegenehmigungen nach § 3 Abs. 2 BtMG zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bezieht seine Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung unter Berücksichtigung der spezifischen therapeutischen Anwendung immer auf den konkreten jeweiligen Einzelfall.

Im August 2007 hat die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erstmals einer an multipler Sklerose erkrankten Patientin erlaubt, Cannabis zur Linderung ihrer Schmerzen einzusetzen. Diese Entscheidung war unter verantwortungsvoller Abwägung aller relevanten Sachverhalte des Einzelfalls im Interesse der individuell notwendigen medizinischen Versorgung der Patientin zu treffen. Dass eine solche Entscheidung getroffen wurde, ist Beleg dafür, dass der Gesetzgeber durchaus eine "zivilisierte Lösung" gefunden hat, die einer Kriminalisierung der Betroffenen vorbeugt. Inzwischen wurden vier der vorliegenden Anträge zur Nutzung von Cannabis(-extrakt) als Medizin vom BfArM positiv beschieden.

Generell muss festgehalten werden, dass dort, wo Cannabis im Einklang mit arzneimittel- und betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften als Medikament eingesetzt wird, selbstverständlich keine Strafverfolgung stattfindet. Das bestätigen neuere Gerichtsentscheidungen, indem sie auf die Rechtfertigung der Behandlung mit Cannabisprodukten hinweisen, sofern die Betäubungsmittel zur Abwendung schwerer Gesundheitsbeeinträchtigungen eingenommen werden. Eine Schuldzuweisung findet also bei der Verwendung von Cannabis bei schweren Krankheiten und unerträglichen Schmerzen nicht statt. Vielmehr wird darauf geachtet, den Missbrauch dieser Produkte zu ahnden und einzudämmen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position zu diesem Sachverhalt deutlich machen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Walter Kolbow