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Frage von Wolf Michael K. •

Frage an Walter Kolbow von Wolf Michael K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Kolbow,

wie stehen Sie zu der Tötung von kleinen Menschen (auch als Embryonen bezeichnet) zum Zwecke der Stammzellenforschung? Folgen Sie hier dem Mainstream nach dem Motto: Wenn hier kein Unrecht geschieht, dann passiert das im Ausland, oder halten Sie es mehr nach dem Gebot "Du sollst nicht töten"?

Herzliche Grüße,
Wolf Michael Kröger

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Sehr geehrter Herr Kröger,

Stammzellforschung ist und bleibt ein brisantes und vieldiskutiertes Thema. Es gibt viele widersprüchliche Meinungen und noch mehr Argumente dafür oder dagegen. Deswegen versucht man Kompromisse zu finden, die sowohl ethisch vertretbar als auch wissenschaftlich sinnvoll sind.

Die Rechtslage in Deutschland unterscheidet zwischen:

• der Erzeugung und Tötung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken sowie der Gewinnung von menschlichen embryonalen Stammzellen aus Embryonen (die nach aktuellem Forschungsstand mit der Tötung des Embryos verbunden ist) und
• der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen.

Als ethisch problematisch gelten vor allem die Erzeugung und Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken, was die Gewinnung von Stammzellen aus humanen Embryonen einschließt. Diese Tatbestände sind daher in Deutschland durch das „Gesetz zum Schutz von Embryonen“ (Embryonenschutzgesetz - ESchG) von 1990 verboten. Die Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen sind in Deutschland grundsätzlich verboten, allerdings hat der Deutsche Bundestag 2002 mit großer Mehrheit beschlossen, die Einfuhr und Forschung mit embryonalen Stammzelllinien unter engen Voraussetzungen zuzulassen. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass die Zellen im Herkunftsland vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Die sog. Stichtagsregelung ermöglicht der Forschung den Zugriff auf bereits bestehende Stammzellen, ohne dass dadurch eine Anreizwirkung zur Tötung von Embryonen im Ausland ausgeht. Das heißt, dass die Anstiftung oder Beihilfe zur Gewinnung embryonaler Stammzellen oder die Erzeugung von Embryonen von Seiten der deutschen Forschung im Ausland vermieden wird. Auf diese Weise wurde ein Kompromiss zwischen dem ethischen Ziel des Embryonenschutzes und der grundrechtlich garantierten Forschungsfreiheit gefunden.

Nun wurde seitens der Wissenschaft dargelegt, dass der deutschen Forschung nur noch wenige Stammzelllinien zur Verfügung stünden, die zudem nicht mehr den internationalen Qualitätsstandards entsprechen. Dies könne in naher Zukunft dazu führen, dass in Deutschland embryonale Stammzellforschung auf hohem Niveau unmöglich wird. Außerdem klagen Wissenschaftler über mangelnde Rechtssicherheit und drohende Strafen, wenn sie sich an internationalen Forschungsprojekten beteiligen. Vor diesem Hintergrund hat sich in den vergangenen Monaten eine neue Debatte über Möglichkeiten und Grenzen der embryonalen Stammzellforschung entwickelt, die zu verschiedenen, fraktionsübergreifenden Vorschlägen für eine vorsichtige Reform des bestehenden Regelung geführt hat.

Einer der hieraus resultierenden Gesetzentwürfe fordert die Streichung des Stichtages für die Einführung und Verwendung von embryonalen Stammzelllinien und die Streichung von Strafvorschriften, ein anderer den völligen Verzicht auf die Einfuhr und Verwendung von embryonalen Stammzellen und damit den Verzicht auf Forschung mit embryonalen Stammzellen. Ein dritter Gesetzentwurf möchte den Status quo beibehalten.

Ich selbst bin für eine vorsichtige Anpassung der bestehenden Rechtslage. Der Gesetzentwurf, den ich unterstütze (Bundestagsdrucksache 16/7981, nachzulesen auf www.bundestag.de -> Dokumente), sieht vor, den Stichtag vom 1. Januar 2002 auf den 1. Mai 2007 zu verschieben. Das Gesetz kann so an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden, ohne die Grundausrichtung des Gesetzes zu verändern. Damit wird der im Jahr 2002 erreichte Kompromiss nicht aufgehoben, sondern fortgeschrieben und die ethische Substanz des Gesetzes erhalten. Außerdem wird in diesem Entwurf die Klarstellung der Strafbarkeitsregelung gefordert. Mit einer Beschränkung der Strafbewehrung auf das Inland soll den Forschern Rechtssicherheit gewährleistet werden.

Meiner Meinung nach ist das die sinnvollste aller Vorgehensweisen. Durch die Verschiebung des Stichtages hat die deutsche Forschung die Chance, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Allerdings unterstützen wir mit dem festgelegten Stichtag aus der Vergangenheit nicht die Herstellung und Tötung von Embryonen im Ausland im Namen Deutschlands. Welcher der Gesetzesentwürfe letztendlich jedoch erfolgreich sein wird, müssen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages entscheiden. Ich werde für die oben beschriebene Änderung eintreten.

Mit freundlichen Grüßen
Walter Kolbow