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Frage von Thomas W. •

Frage an Walter Kolbow von Thomas W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kolbow,

Erstmal vielen Dank für Ihre Stellungsnahme, habe dazu aber noch fragen.

Warum wird von den Politikern immer behauptet dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten nur unter engen Voraussetzungen (z.B. richterliche Anordnung) zulässig ist, wenn das so gar nicht stimmt?

Hier 3 Beispiele:

- Zugriff erhalten sollen zu diesem Zweck die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die Nachrichtendienste (§ 113b TKG n.F.), aber auch ausländische Staaten wie die USA im Rahmen von Rechtshilfeübereinkommen (§ 59 IRG). Was mit den Daten im Ausland geschieht, ist nicht kontrollierbar.
- Nur bei Abfragen zur Verfolgung von Straftaten ist eine richterliche Anordnung erforderlich (§ 100g StPO), aber auch hier überprüft der Richter nur das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Sind diese gegeben, muss er den Zugriff genehmigen. Nachrichtendienste dürfen ohne richterliche Genehmigung Verbindungsdaten abfragen (§ 8a BVerfSchG, § 10 MAD-G, § 8 Abs. 3a BND-G). Auf Vorrat gespeicherte Verbindungsdaten dürfen aufgrund des jetzt beschlossenen Gesetzes noch nicht an Nachrichtendienste übermittelt werden. Es bedarf dazu eines weiteren Gesetzes.
- Auch die Film- und Musikindustrie und andere "Rechteinhaber" sollen Auskunft über die Identität von Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetnutzern verlangen dürfen, etwa um die Benutzung von Tauschbörsen im Internet verfolgen zu können (§ 101 UrhG-E). Hier ist zwar eine richterliche Anordnung erforderlich, aber der Richter überprüft nur das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Sind diese gegeben, muss er den Zugriff genehmigen. Auf Vorrat gespeicherte Verbindungsdaten dürfen zur Erteilung solcher Auskünfte immerhin nicht heran gezogen werden.

Und warum werden Politiker von dieser Vorratsdatenspeicherung ausgenommen? Sie haben doch nichts zu verbergen oder?

MfG

Thomas Weber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weber,

danke für Ihre Nachfrage zum „Gesetz zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung“ (TKG), die – wie auch schon die Ursprungsfrage - inhaltlich so oder nahezu identisch an viele meiner Kolleginnen und Kollegen ging. Dennoch bin ich gerne bereit, Ihnen individuell zu antworten.

Von Politikern wird „immer behauptet“, dass der Zugriff auf die bei den Telekommunikations-Betreibern gespeicherten Daten nur unter engen Voraussetzungen möglich ist (wie Sie schreiben), weil das im TKG so geregelt ist! Ihre Beispiele belegen dies, z.B. wenn Sie darlegen, dass das TKG die Weitergabe gespeicherter Daten an die Nachrichtendienste und an die Film- und Musikindustrie eben nicht ermögliche.

Der von Ihnen vor allem kritisierte § 113 b TKG-E lautet: „ Der nach 113 a Verpflichtete darf die allein auf Grund der Speicherungsverpflichtung nach § 113 a gespeicherten Daten
1. zur Verfolgung von Straftaten,
2. zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder
3. zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes an die zuständigen Stellen übermitteln, soweit dies in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf § 113 a vorgesehen ist; für andere Zwecke darf er die Daten nicht verwenden. § 113 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.“

Im erstgenannten Fall, der Verfolgung von Straftaten, ist die StPO zu beachten, die ausdrücklich eine richterliche Anordnung fordert. In diesem Beschluss, der strenge Voraussetzungen hat, hat der Richter genau festzulegen, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Geregelt ist dies – einschließlich der Schranken und strenger Verfahrensregelungen - in § 100 StPO-E. Der Betroffene steht mit der Neuregelung sogar besser dar als vor ihr, denn neu ist, dass Straftaten grundsätzlich nicht in Frage kommen, die im Höchstmaß mit weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Die Tat muss – auch diese ausdrückliche Regelung ist neu – zudem im konkreten Einzelfall schwer wiegen.

Auch Nummer 2 und 3 der Vorschrift erfordern eine Regelung im jeweiligen Spezialgesetz der genannten Stellen. Eine solche Spezialregelung gibt es nicht - kann es auch (noch) nicht geben, denn der neue § 113 a müsste erwähnt sein. Folge ist, dass ihr Zugriff auf die Daten nach derzeitiger Rechtslage nicht zulässig ist. Die entsprechenden Regelungen in den Spezialgesetzen würden in den Zuständigkeitsbereich der Innenministerien – und nicht, wie TKG und StPO, in den des Bundesjustizministeriums - fallen. Ich rege an, dass Sie sich, wenn und falls entsprechende Gesetzentwürfe vorbereitet, an das Bundesministerium des Inneren bzw. das des Freistaates Bayern wenden.

Das TKG schützt übrigens nicht nur das Vertrauensverhältnis zu Abgeordneten sondern auch zu Seelsorgern und Strafverteidigern. Sie haben eine besondere verfassungsrechtliche Stellung, deshalb sind sie von allen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die Informationen beziehen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut wurden. Geschützt werden durch diese Regelungen nicht bestimmte Berufsgruppen, sondern die Menschen, die sich vertrauensvoll an sie wenden. Sonderregelungen gibt es auch für Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten und alle anderen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern.

Mit freundlichen Grüßen
Walter Kolbow