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Frage von Andreas van A. •

Frage an Walter Kolbow von Andreas van A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kolbow,

im Namen der "Allgemeinen" Wehrpflicht werden mehr Zivil- als Wehrdienstplätze zur Verfügung gestellt, was meiner Meinung nach bereits verfassungswidrig ist. Alle Plätze zusammen reichen aber nicht, um auch nur die Hälfte eines Jahrganges unterzubringen. Da ich selber 15 Monate gedient habe, weiß ich sehr genau, was Wehrpflicht bedeutet. Die Vorstellung, dass der eine dienen muss, während der Bruder, Freund, Klassenkamerad oder Nachbar aus oftmals nicht nachvollziehbaren Gründen nichts machen muss, ist mit den Wort ungerecht völlig unzureichend beschrieben. Der Wehrpflicht wird skrupellos jeder Gedanke an Gleichberechtigung und Gleichbehandlung untergeordnet. Die Wehr- und Dienstgerechtigkeit wird allenfalls nach formaljuristischen Gesichtspunkten erfüllt. Meiner Meinung nach kommt die gegenwärtige Wehrplfichtpraxuis einem Verbrechen gleich!

Betrachtet man zudem die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für die Betroffenen, so ist mir absolut unverständlich, wie Sie sich noch für die Beibehaltung der Wehrpflicht einsetzen können. Währen Sie denn mit dem zur Zeit diskutierten Kompromißvorschlag eines "freiwilligen" Wehrdienstes nach dänischem Vorbild einverstanden?

Mit freundlichen Grüßen

A. van Almsick

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr von Almsick,

vielen Dank für Ihre Frage. Ja, ich unterstütze das Modell einer freiwilligen Wehrpflicht, wie es nun vom SPD-Parteivorstand als Antrag mit dem Titel: „Gesellschaftliche Verankerung der Bundeswehr erhalten – Freiwilligkeit stärken“ für unseren Bundesparteitag im Herbst vorgelegt wurde.

Die von Ihnen geschilderten Umstände waren ein Anlass, ein Modell für die Anpassung des bewährten Instruments der Wehrpflicht an die Lebenswirklichkeit zu entwickeln. Heute leisten nur noch 1/3 aller jungen Männer eines Jahrganges tatsächlich Wehr- oder Zivildienst. Im Hinblick auf die Bedeutung des Eingriffs in die Lebensplanung junger Männer durch den Wehrdienst, galt es, sich dieser Realität zu stellen – und zwar nicht nur mit einer Anpassung der Einberufungsrichtlinien.

Das ist das eine, zum anderen wollen wir die Wehrpflicht fortentwickeln, um den Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit und Befähigung der Soldaten entsprechen zu können. Ziel ist eine Modernisierung, die den Anforderungen an eine moderne Armee entspricht.

Wir haben uns bewusst gegen die Aufgabe der Wehrpflicht entschieden. Sie war in der Vergangenheit der Garant für die Verankerung unsere Armee in der Gesellschaft. Sie hat das Bild vom „Staatsbürger in Uniform“ entscheidend geprägt. Und schließlich müssen wir auch auf den unwahrscheinlichen Fall eingerichtet sein, dass Freiwillige nicht ausreichen, um aktuellen Bedrohungslagen begegnen zu können, die heute möglicherweise noch nicht absehbar sind.

In der praktischen Ausgestaltung stellen wir uns das folgendermaßen vor: Alle jungen Männer werden zu einer ganztägigen Informationsveranstaltung „Landesverteidigung und freiwilliger Gesellschaftsdienst“ einberufen. Erfasst und gemustert wird wie bisher. Innerhalb einer bestimmten Frist müssen die tauglich Gemusterten dem Kreiswehrersatzamt mitteilen, ob sie den freiwilligen Grundwehrdienst leisten möchten. Einberufen wird dann nur derjenige, der sich entsprechend erklärt hat.

Wir planen Anreize für die Entscheidung zum freiwilligen Wehrdienst, denn sie ist Ausdruck der Bereitschaft, sich für die Gesellschaft und für das Gemeinwohl zu engagieren. Deshalb soll die Attraktivität des Dienstes gesteigert und ein Bonussystem geschaffen werden. Denkbar sind etwa Vorteile für die Bewerbung auf einen Studienplatz oder bei der Einstellung im Öffentlichen Dienst, die Anrechnung der Dienstzeit auf die Lebensarbeitszeit und vieles mehr.

Gleichzeitig werden wir die freiwilligen sozialen Dienste stärken, die einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft und generationenübergreifende Solidarität leisten. Auch diejenigen, die freiwillig einen Dienst an der Allgemeinheit leisten, sollen deshalb von einem Bonussystem profitieren.

Die seriöse Umsetzung unseres Konzepts wird allerdings Zeit in Anspruch nehmen. Detailfragen sind zu klären. Wichtig ist es außerdem, der öffentlichen Diskussion angemessenen Raum zu geben.

Eine Emnid-Umfrage hat übrigens ergeben, dass 73 % der Bevölkerung und
55 % der Unionsanhänger unserem Vorschlag zustimmen.

Mit freundlichen Grüßen
Walter Kolbow