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Frage von Christoph B. •

Frage an Walter Kolbow von Christoph B. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Kolbow,

Deutschland ist von befreundeten Staaten umzingelt, ein großer Konflikt (im Gegensatz zur Stationierung von ein paar tausend Soldaten in Afghanistan) ist nicht in Sicht.

Daher habe ich folgende Fragen:
1. Wie kommt es, dass ein offensichtlich relativ ungefährdetes Land den vierthöchsten Militäretat der Welt hat? (Quelle: Wikipedia) Wäre das Geld nicht sinnvoller in anderen Projekten, z. B. Bildungsförderung, angelegt?

2. Wie stehen Sie dazu, dass immer noch an der Wehrpflicht festgehalten wird, obwohl keinerlei konkrete Bedrohung zu erkennen ist?

Vielen Dank, dass Sie Sich Zeit für meine Fragen nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Brauer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brauer,

gern möchte ich Ihnen Ihre Fragen beantworten. Ich stimme Ihnen zu, dass Deutschland nur noch von befreundeten Staaten umgeben ist und es heute keine Gefährdung durch traditionelle militärische Kräfte mehr für unser Land gibt. Klassische zwischenstaatliche Kriege sind unwahrscheinlicher geworden. Ich kann es nachvollziehen, wenn Sie die Notwendigkeit einer herkömmliche Landesverteidigung in Frage stellen.

Doch die internationale Staatengemeinschaft steht vor neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Durch Bedrohungen etwa, die aus der Zunahme dessen, was man asymmetrische, also privatisierte Gewalt nennt, aus religiösen, aus ethnischen Konflikten oder auch aus dem internationalen Terror erwachsen.

Verteidigung umfasst daher heute mehr. Die Verteidigung der Freiheit unseres Landes kann nicht nur auf die Grenzen der Bundesrepublik beschränkt bleiben.
Sie schließt die Verhütung von Konflikten und Krisen, die gemeinsame Bewältigung von Krisen und die Krisennachsorge ein. Die Lösung der vielfältigen regionalen Krisen und Konflikte ist von zentraler Bedeutung für Sicherheit und Stabilität im europäischen und globalen Rahmen. Ungelöste politische, ethnische, religiöse, wirtschaftliche und gesellschaftliche Konflikte wirken sich unmittelbar auch auf die deutsche und die europäische Sicherheit aus.

Für die Bundesregierung stehen die zivile Krisenprävention und Krisenbewältigung an erster Stelle in der Sicherheitspolitik. Doch wir dürfen nicht dabei ignorieren, dass auch militärische Einsätze manchmal nicht vermeidbar sind.

Auch ich halte es für wünschenswert, verstärkt in Bildung und andere wichtige Projekte zu investieren, doch solange die Welt so ist, wie sie ist, kann kein Staat auf den Schutz und die Sicherheit seiner Bürger verzichten.

Ich möchte noch anmerken, dass Ihre Angabe „vierthöchster Militäretat“ so nicht richtig ist. In der Regel wird der Verteidigungsetat anhand des Bruttoinlandproduktes (BIP) berechnet. Danach steht Deutschland an drittletzter Stelle innerhalb der NATO.

Auch wenn die wahrscheinlichsten Einsätze der Bundeswehr heute und in Zukunft Auslandseinsätze sind, so bleibt der Schutz Deutschlands sowie der Einsatz bei Naturkatastrophen und in gesetzlich geregelten Notfällen weiterhin Auftrag der Bundeswehr. Hierzu werden keine zusätzlichen Kräfte vorgehalten. Grundwehrdienstleistende leisten hierbei unbestreitbar einen unverzichtbaren Dienst und stellen eine große Unterstützung dar.

Und es gilt zu bedenken, dass die Wehrpflicht eine maßgebliche Säule für die Streitkräfte bildet, auf der die Prinzipien der Inneren Führung mit dem Leitbild des Soldaten als Staatsbürgers in Uniform aufgebaut sind. Und sie ist stets auch Garant dafür, dass sich unsere Gesellschaft in ihrer gesamten sozialen Breite und mit ihren unterschiedlichen weltanschaulichen Überzeugungen in der Bundeswehr widerspiegelt.

Natürlich dürfen uns – und damit meine ich Politik und Gesellschaft – die guten Erfahrungen, die wir mit der Wehrpflicht gemacht haben nicht die Augen davor verschließen lassen, dass die Wehrpflicht einen erheblichen Einschnitt in die Lebensplanung von jungen Männern darstellt.

Die Frage der zukünftigen Wehrform muss sicherlich politisch gelöst werden. Diese politische Entscheidung sollte sich aber auf eine große gesellschaftliche Akzeptanz stützen. Dazu brauchen wir eine breite gesellschaftliche Diskussion. Die SPD ist diesen Weg gegangen. Mit dem Fachkongress im November 2004 haben wir den Anfang gemacht. Seitdem wurde auf Landes-, Bezirks- und Ortsvereinsebene diskutiert und beraten. Auf unserem Bundesparteitag im Herbst 2007 werden wir dann entscheiden.

Ich plädiere dafür die Wehrpflicht so weiterzuentwickeln, dass sie auf längere Sicht nicht nur juristisch, sondern auch gesellschaftlich breit akzeptiert wird. Und wir sollten dies mit unserem wichtigen politischen Projekt, Freiwilligendienste in der gesamten Breite der Möglichkeiten zu stärken, verbinden.

Natürlich hat sich die Wehrpflicht in den vergangenen 50 Jahren bewährt. Es hat sich gezeigt, dass die Wehrpflicht ein Garant für Qualität in der Bundeswehr war und ist.
Es geht nun aber darum, der abnehmenden Wehrgerechtigkeit sinnvoll zu begegnen und eine Kultur von freiwilligen Diensten zu entwickeln.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Kolbow, MdB