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Frage von Bernhard A. •

Frage an Walter Kolbow von Bernhard A. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

Sie haben der Gesundheitsreform und MWStErh. auf 19 % (auch für Medikamente) zugestimmt. Ihr Verhalten in beiden Abstimmungen widerspricht einem SOZIALdemokratischen Abgeordneten, denn
der Staat darf seine Finanzen nicht auf Kosten der Kranken sanieren.
Die Erh. der MWST hat zur weiteren Belastung von Versicherten und Patienten geführt. Besonders betroffen sind ältere Menschen mit geringem Einkommen, chronisch Kranke und Behinderte.
Kranke sind durch die Zuzahlungen für Medikamente stark finanziell belastet. Und jetzt kommt da noch die MWST-Erhöhung hinzu. Im Gegensatz zu Lebensmitteln, die mit dem ermäßigten Steuersatz belegt sind, müssen Versicherte in Deutschland auf ebenso lebenswichtige Produkte wie Arzneimittel den vollen Mehrwertsteuersatz entrichten." Das ist einmalig in der EU und sozial ungerecht. Die Regierung misst hier mit zweierlei Maß: Der ermäßigte MWSTsatz von 7 Prozent auf Lebensmittel, satte 19 Prozent MWST auf Arzneimittel. Jetzt, nach der MWST-Erhöhung, wird die Ungerechtigkeit deutlicher. In fast allen europäischen Ländern werden Arzneimittel als lebenswichtig gesehen, auf die ein ermäßigter oder - wie in Schweden und Großbritannien - keine MWST erhoben wird. Der volle Satz wird außer in Deutschland nur noch in Österreich, der Slowakei und Dänemark erhoben. Zudem entbehrt es aller Logik, dass z.B. für Süßigkeiten (siehe Folgemail), Schnittblumen, Tierfutter und Gewaltvideos und dergl. nur 7 Prozent MWST erhoben werden, für Medikamente aber 19 %. Nachdem die Krankenversicherungsbeiträge in diesem Jahr bereits deutlich angehoben wurden und weitere Anhebungen drohen, könnten sowohl Krankenkassen als auch Versicherte von einer Senkung der Mehrwertsteuer profitieren.
Bevor Sie mich fragen, woher der Staat die ausfallenden Steuerbeträge nehmen soll, unterbreite ich in meiner nächsten Mail einen Vorschlag ein Vorschlag.
B.A.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Amling,

Sie haben gleich zwei Anfragen an mich gerichtet, die ich gemeinsam beantworten möchte.

Zunächst zur Mehrwertsteuer: Inhalt des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD war die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 %. Das war für uns nicht einfach, das Wahlergebnis hatte aber eine reine Umsetzung unseres Wahlprogramms leider nicht ermöglicht. Mit diesem Zugeständnis an die Union waren jedoch wichtige Verhandlungserfolge im Bereich der Steuerpolitik, der Arbeitnehmerrechte und in vielen anderen Politikbereichen verbunden. So konnten wir eine Verschiebung der Erhöhung auf 2007 erreichen, um die Möglichkeit zu schaffen, die Konjunktur zunächst soweit anzukurbeln, dass die schädlichen Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung weniger zum tragen kommen. Entsprechende Rahmenbedingungen wurden mit dem Impulsprogramm (25 Mrd. Euro in vier Jahren) geschaffen. Die befürchteten Auswirkungen auf das Handwerk werden durch die Möglichkeit kompensiert, Handwerkerrechnungen anteilig auf die Steuerschuld anzurechnen. Der ermäßigte Steuersatz auf Lebensmittel, Personennahverkehr, Bücher und Zeitungen blieb bei 7 %.

Der ermäßigte Steuersatz für fast alle Nahrungsmittel – ausgenommen sind die meisten Getränke – beruht auf einer Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers bei der Einführung des Mehrwertsteuersystems zum 1.1.1968, der sozialpolitische Erwägungen zugrunde lagen. In der Tat sprechen gute Gründe heute dafür, ungesunde Nahrungsmittel finanziell unattraktiver und gesunde attraktiver zu machen. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass Süßwaren und Knabberartikel dem ermäßigten Steuersatz, Mineralwasser hingegen der vollen Mehrwertsteuer unterliegen. In meiner Fraktion gibt es deshalb bereits Überlegungen, wie dieses Ungleichgewicht im System behoben werden könnte. Diese Prüfungen stoßen allerdings beim Ausgleich innerhalb der Besteuerung von Lebensmitteln schnell an die Grenzen der Praktikabilität.

Die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel wurde bereits von verschiedenen Seiten ins Gespräch gebracht. Dies würde aber auch bedeuten, dass die bisherige Steuerermäßigung in anderen Bereichen aufgegeben werden müsste. Die Widerstände hiergegen sind natürlich groß. Argumentiert wird vor allem mit dem Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen im 6-stelligen Bereich. Politisch ist die Neuordnung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze derzeit nicht durchsetzbar. Auch das Bundesgesundheitsministerium lehnt die Einbeziehung von Medikamenten wegen der Befürchtung, die Steuerermäßigung käme nicht den Krankenkassen, sondern den Pharmakonzernen zugute, ab.

Abschließend noch eine kurze Bemerkung zur Kritik an den Zuzahlungsregelungen für Medikamente im Zuge der Gesundheitsreform: Die Zuzahlung auf Medikamente ist für alle Versicherten auf 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen, bei chronisch Kranken auf 1 % ihrer Einnahmen begrenzt. Diese Beschränkung soll unzumutbare Belastungen ausschließen. Übrigens stehen den vermeintlichen Verschlechterungen in der Gesundheitspolitik auch Verbesserungen, etwa bei der Behandlungen schwerer und seltener Krankheiten, Rehabilitationsmaßnahmen und der häuslichen Krankenpflege, aber auch in vielen anderen Bereichen gegenüber.

Mit freundlichen Grüßen
Walter Kolbow