Frage an Volker Wissing von Angelika F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
Sie sind jüngst im Film des Autors Günter Ederer "Das Märchen vom gerechten Staat, Wie er uns mit Steuern abkassiert", der von der ARD ausgestrahlt wurde, vor der Kamera aufgetreten und haben versucht, das komplizierte deutsche Steuerrecht anhand der Mehrwertsteuersätze auf Küchenkräuter, Kartoffeln und Tomaten zu erklären. Sie scheiterten und der Autor sprach es gnadenlos aus, Zitat:
"Da müssen Irre am Werk sein, denn wer denkt sich sonst solche Steuergeschichten rund um die Tomate aus."
Gegen Ende diese 45min Filmes hieß es dann, Zitat:
"In Celle in Niedersachsen residiert ein Oberlandesgericht. Und das hat ein Urteil gefällt, dass uns Bürgern klar macht, warum die Finanzämter, ... trotz Unrecht immer Recht haben:
...bei der Steuergesetzgebung handelt es sich nicht um eine Tätigkeit, deren einziges Ziel die Verwirklichung des Rechts ist...
Allerdings hat sich der Finanzbeamte dabei an das Recht zu halten, ohne daß dieses jedoch seine vordringliche Aufgabe ist!"
Empört schloss der Autor G. Ederer an dieser Stelle mit den eigenen Worten, Zitat:
"In welchem Staat, mit welcher Finanzverfassung leben wir eigentlich?"
Der Autor Günter Ederer hat in diesem Film aus dem Beschluss des OLG Celle vom 17.04.1986, Az: 3 Ws 176/96, zitiert.
Nun die Fragen an Sie, Herr Dr. Wissing:
Als Volljurist und Richter a.D. haben Ihnen sicherlich Ihre inzwischen gesammelten Erfahrung im derzeitigen Finanzausschuss des Deutschen Bundestages aber auch die im Rahmen Ihres Mitwirkens in dem o.a. Dokumentarfilm doch sicherlich zu denken gegeben.
Haben Sie inzwischen schon etwas gerade auch im Hinblick auf die Darstellungen und Äußerungen in diesem Film unternommen und wenn ja, was bitte, denn wie sind die gezeigten und ausformulierten Zustände eigentlich mit dem Rechtsstaatprinzip 58 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zu vereinbaren oder genießen Finanzbeamte hier einen Status von besonderer Immunität?
Wenn ja, nennen Sie die grundgesetzliche Rechtsquelle.
m.f.G.
Sehr geehrte Frau Friedl,
vielen Dank für Ihre mail vom 24. November 2007.
Ich habe das in dem Film von Günter Ederer "Das Märchen vom gerechten Staat" erwähnte Urteil des Oberlandesgerichtes Celle geprüft. Dabei geht es nicht um die Frage, ob Finanzbeamte an Recht und Gesetz gebunden sind. Das ist eine Selbstverständlichkeit. In dem betreffenden Verfahren wurde dem Finanzbeamten "Rechtsbeugung" vorgeworfen. Das Oberlandesgericht entschied, dass ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden kann, da ein Finanzbeamter kein Richter ist, dem eine besondere Verantwortung für die Verwirklichung des Rechtes zukommt. Das Gericht betont in seiner Entscheidung allerdings ausdrücklich, dass sich auch ein Finanzbeamter an das Recht zu halten hat. Die Entscheidung des Gerichtes besagt letztendlich ausschließlich, dass der Straftatbestand der "Rechtsbeugung" auf den betreffenden Fall nicht anwendbar ist.
Was den Sinn bzw. Unsinn der ermäßigten Umsatzsteuersätze betrifft, so hat die Bundesregierung dem Finanzausschuss erst kürzlich einen Bericht vorgelegt, in dem sie erstmals die Unverständlichkeit des bisherigen Umsatzsteuersystems einräumt. Die FDP wird sich weiter dafür einsetzen, dass das Umsatzsteuersystem für die Bürgerinnen und Bürger wieder durchschaubar wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB