Portrait von Volker Wissing
Volker Wissing
FDP
80 %
367 / 457 Fragen beantwortet
Frage von Helmut S. •

Frage an Volker Wissing von Helmut S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

ich denke das Forum abgeordnetenwatch.de wurde nicht gegründet um Politikern ein weiteres Forum zu bieten, zur Absonderung von Sprechblasen, die man auch sonst jeden Tag x-mal geboten bekommt.

Für mich ist nicht problematisch, dass Sie zur Entwicklung Einkommens- und Vermögensverteilung eine andere Meinung haben als die SPD. Meine Frage war, ob Sie zu diesem Politikfeld überhaupt eine Meinung haben, die sich auf liberale-marktwirtschaftliche Überlegungen stützt.

Wenn es "im Kern" darum geht, "wie man arme Leute reicher macht", dann muss ich doch begründen können, dass dieses Ziel über Marktmechanismen allein und ohne staatliche Intervention gelingt. Eine solche Begründung setzt aber voraus, dass man sich mit den Ursachen der wachsender Einkommens- und Vermögensunterschiede in den vergangenen 30 Jahren auseinandersetzt. Sonst lässt sich nämlich Ihre Hoffnung, dass sich an den Verhältnissen etwas ändert, in dem man versucht Arme reicher zu machen allein über den Markt, nicht einmal auf einer Plausibilitätsebene begründen. Wenn ich die Entwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte nicht mit im wesentlichen marktwirtschaftlichen Wirkungen erklären kann gibt es keine Grundlage für Ihre Hoffnung.

Deswegen meine Fragen nach den gedanklichen Voraussetzungen Ihrer politischen Stellungnahme zu den SPD-Vorschlägen.

Bisher haben Sie nur das Vourteil bestätigt, dass es in Sachen Reflektionstiefe bei den meisten FDP-Politikern nach all den Jahren politischer Sozialisation unter Westerwelle nur zu Wahlkampfsprüchen und die Aneinanderreihung einiger Patchwork-Sätze aus der gelben Mottenkiste reicht um bei der nächsten Talkshow oder Pressekonferenz gerade mal so über die Runden zu kommen.

Ich frage nach einer liberal-marktwirtschaftlichen Unterlegung Ihrer politischen Aussagen - das kann doch nicht zu viel verlangt sein.

MfG
Helmut Suttor

Portrait von Volker Wissing
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Suttor,

vielen Dank für Ihre Frage vom 26. Juli 2012.

Zu Ihrer Information habe ich Ihnen den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung beigefügt. Dem Bericht können Sie entnehmen, dass Arbeitslosigkeit einer der wesentlichen Gründe für Armut ist. Mehr Arbeitslosigkeit führt daher auch zu mehr Armut, umgekehrt heißt aber auch, dass die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch hilft Armut zu bekämpfen. Wenn die Zahl der Arbeitslosen von 5 Mio. zu rot-grünen Regierungszeiten, auf heute knapp 3 Mio. gesunken ist, so ist das auch ein Beitrag zur Armutsbekämpfung.

Wenn Sie sagen, dass Armutsbekämpfung mit Marktmechanismen alleine nicht gelingen kann, so ist das kein Widerspruch zur Position der FDP. Auch die FDP fordert einen aktiven und handlungsfähigen Sozialstaat. Der Sozialstaat soll die Existenz der Menschen absichern und ihnen ein Leben in Würde ermöglichen. Der Sozialstaat ist ohne funktionsfähige Wirtschaftspolitik nicht in der Lage, Armut tatsächlich nachhaltig zu bekämpfen. Der Sozialstaat trägt dazu bei Armut erträglicher zu machen, wirklich bekämpfen kann er sie kaum. Das erreichen sie vor allem, indem sie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik die Weichen richtig stellen. Schließlich finanziert sich auch der Sozialstaat aus den Geldern, die in der Wirtschaft erarbeitet und anschließend über das Steuer- und Sozialversicherungssystem in den Sozialstaat umgeleitet werden. Ein handlungsfähiger Sozialstaat braucht auch eine starke Wirtschaft, gleiches gilt übrigens auch in umgekehrter Richtung.

Wenn Sie schreiben, dass die Einkommens- und Vermögensunterschiede in den letzten 30 Jahren zugenommen haben, so ist das auch auf die Globalisierung zurückzuführen. Der Reichtum wurde und wird weltweit neu verteilt. Arbeitsplätze wandern aus Deutschland ab und entstehen dort, wo die Löhne niedriger sind. Diese Entwicklung ermöglicht es den Entwicklungsländern in der wirtschaftlichen Entwicklung aufzuholen und ihre eigene Armut zu bekämpfen. Von dieser Entwicklung sind leider vor allem einfache Tätigkeiten betroffen, da diese sich in aller Regel am einfachsten verlagern lassen. Deshalb wurden von der Globalisierung vor allem auch die unteren Einkommensgruppen negativ betroffen. Gleichzeitig haben sich die Anlagemöglichkeiten für Kapital verbessert. Im Gegensatz zur Arbeit, ist Kapital als Produktionsfaktor sehr mobil und kann deshalb sehr schnell von einem Standort zu einem anderen verlagert werden. Aus diesem Grund haben in der Vergangenheit vor allem diejenigen von der Globalisierung profitiert, die auch über Kapitalvermögen verfügt haben. Das Problem der Kapitalbesteuerung ist aber, dass diese sehr schnell zu einer Kapitalflucht führt. Aus diesem Grund hat der SPD-Finanzminister, Peer Steinbrück, auch bei der Einführung der Abgeltungssteuer die Kapitalertragssteuern auf 25% reduziert. Mit dem Satz "Lieber 25% von x, als 42% von nix" beschrieb der SPD-Politiker, eindrücklich die Abwägung zwischen einem hohen Steuersatz einerseits und einem möglichst hohen Steuerertrag andererseits. Die SPD hat sich damals für den niedrigeren Steuersatz und das höhere Steueraufkommen entschieden.

Ihre These, dass Armut sich vor allem über staatliche Intervention wirksam bekämpfen lässt, teile ich nicht. Denn auch das Geld, welches Sie für die Finanzierung staatlicher Intervention benötigen, muss vorher erwirtschaftet werden. Sozialstaat und Wirtschaft hängen ganz eng zusammen, wir sollten daher versuchen, Synergien zu nutzen statt Gegensätze aufzubauen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Wissing, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Volker Wissing
Volker Wissing
FDP