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Frage von Johannes K. •

Frage an Volker Wissing von Johannes K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

Vor kurzem haben Sie eine Anfrage zum Thema Finanztransaktionssteuer (FTS) beantwortet. Bei Ihrer Antwort sind mir ein paar Fragen aufgekommen, die ich Ihnen stellen möchte:

1. Meinen Sie im Ernst, dass der Nobelpreisträger Tobin ein "sehr holzschnittartiges Bild von dem Geschehen an den Finanzmärkten" hatte, als er eine FTS vorschlug, um die spekulationsbedingten Risiken des internationalen Kapitalmarkts zu mäßigen?

2. Worin besteht die zusätzliche Belastung für den Staat bei der Refinanzierung seiner Kredite durch eine FTS? Zahlt der Staat da nicht Kosten, die er dann selbst in vollem Umfang wieder zurückverlangt?

3. Sie wünschen sich ein Instrument, dass selektiv "gegen hochspekulative Anlagen" wirkt. Ich dachte, es geht bei einer FTS darum, spekulative Geldbewegungen zu begrenzen, die keiner realwirtschaftlichen Leistung gegenüberstehen, die aber in ihrer Masse dazu führen können, dass Volkswirtschaften/Währungen "kaputt spekuliert" werden. Bei solchen Transaktionen handelt es sich keineswegs um solch riskante Geschäfte, wie es beispielsweise Investitionen in neue Technologien sind (das, was ich unter "hochspekulativ" verstehe). Vielmehr ist es in den Finanzmärkten gängige Praxis, große Geldsummen täglich von einer Währung zur anderen zu verschieben, um aus Wechselkursschwankungen "kleine" aber relativ sichere Rendite zu generieren. Eine FTS unterbindet solche Geldbewegungen zu einem großen Teil, da sie sie unter einer bestimmten Schwelle unrentabel macht. Realwirtschaftliche Finanztransaktionen, z.B. zur Refinanzierung von Krediten, werden immer notwendig sein. Eine Besteuerung von 0,05% wird da die Welt nicht ins Wanken bringen. Wirken FTS dann nicht doch selektiv gegen genau jene Anlagen, die keiner volkswirtschaftlichen Leistung gegenüberstehen? Sie sagen: "Leistung soll sich wieder lohnen." Was leistet denn Kasinokapitalismus außer einer einseitigen Bereicherung?

Vielen Dank für Ihre Antwort,
Johannes Katsarov

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Sehr geehrter Herr Katsarov,

vielen Dank für Ihre Frage vom 27. September 2011.

Bislang hat noch kein Staat eine so genannte Tobin-Tax eingeführt und ich denke, dass es für diese Skepsis gute Gründe gibt. Da die Finanztransaktionssteuer so in noch keinem Land umgesetzt wurde, ist es natürlich auch einfach diese zu einem Allheilmittel gegen die "Spekulation" zu deklarieren. Es ist aber absehbar, dass sie dieser Rolle nicht gerecht werden kann. Sind sie etwa der Meinung, dass eine Finanztransaktionssteuer die letzte Finanzkrise hätte verhindern können? Weder hätte die Tobin-Tax verhindert, dass die amerikanische Notenbank den Markt mit Liquidität flutet, noch hätte sie amerikanische Bürgerinnen und Bürger davon abhalten können, sich ein Haus zu kaufen, welches sie sich nicht leisten können. Sie hätte weder der Verbriefung der Hypotheken, noch die Persilscheine der Rating-Agenturen verhindern können.

Gleiches gilt auch für die Eurokrise. Die Tobin-Tax hätte weder die Staatsverschuldung in Europa, noch die Spekulation mit den Anleihen verhindern können. Die Finanztransaktionssteuer dürfte damit das am meisten überschätzte finanzpolitische Instrument sein. Eine Einführung wird im besten Fall zusätzliche Steuereinnahmen generieren, im schlechtesten sie umgangen werden, die Finanzmärkte werden auf weniger regulierte Finanzplätze ausweichen und das Finanzsystem damit nicht stabiler, sondern instabiler.

Gerade Europa ist in der Schuldenkrise auf den Zufluss von Kapital angewiesen. Es wird die Refinanzierungsmöglichkeiten der Euroländer bestimmt nicht verbessern, wenn sie Investoren auch noch eine Finanztransaktionssteuer abverlangen. Jede Maßnahme die den Kapitalzufluss reduziert, erhöht auch dessen Knappheit und führt damit zu steigenden Zinsen. Höhere Anleihezinsen führen wiederum zu höheren Ausgaben für die Um- bzw. Neuverschuldung. Die Finanztransaktionssteuer ist alles andere als ein unproblematisches Instrument und schon gar kein Allheilmittel gegen die Gefahren der Finanzmärkte. Dieses ist nicht nur die Auffassung der FDP, dieses wird auch in den USA, Großbritannien, Italien, Schweden und vielen anderen Ländern so gesehen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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