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Volker Wissing
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Frage von Robert V. •

Frage an Volker Wissing von Robert V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

Sie sind Mitglied im Finanzausschuss. Mein Frage ist komplex aber sehr spannend und ich hoffe auf eine baldige Antwort von Ihnen.

Die seit Jahren in Medien und Politik präsente Diskussion zur Staatsverschuldung arbeitet häufig mit dem vorwurfsvollen Argument, diese Generation würde unzulässig hohe Staatsschulden an die nächste Generation "vererben". Man würde "auf Kosten der nächsten Generation leben". Geht das?

Dieses Argument suggeriert, als habe der Staat, also die gesamte Gesellschaft seine/ihre Schulden bei irgendeiner "äußeren Macht", die die nächste dann völlig überschuldete Generation dann quasi pfänden, ausquetschen o. ä. würde. Hier wird offenbar auch mit "Angst" gearbeitet, um politische Vorstellungen durchzusetzen. Aber wo Schuldner sind, sind stets auch Gläubiger! Und da offenbar fast alle westlichen Staaten (die der dritten Welt sowieso) hoch verschuldet sind, sind offenbar große Institutionen (z. B. Banken und Versicherungen, die wiederum irgendjemandem (z. B. Aktionären) gehören!) und die Bürger selbst die Gläubiger.

Das heißt aber auch, dass "wir" (die Gesellschaft) der nächsten Generation nicht nur Schulden, sondern auch Forderungen "vererben". Man könnte auch sagen, wir vererben eine Verteilung vermeintlicher Guthaben und Schulden. Ich schreibe vermeintlich, weil ich mich auch ernsthaft frage, ob dieses Geld überhaupt existiert, jemals existiert hat. Letztlich sprechen wir von Versprechungen, von mit Tinte bedrucktem Papier. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will das Thema nicht lächerlich machen. Aber wurde vor 20 Jahren noch über Millionen gesprochen, gehts jetzt nicht mehr unter zig Millarden. Das wird langsam alles sehr unglaubwürdig und absurd.

Ist es also richtig, dass wir eigentlich gar keine Schulden weitergeben (weil das eine verkürzte Darstellung ist), sondern nur eine fiktive Verteilung von Forderungen? Haben Sie darüber eigentlich schon mal nachgedacht?

Mit besten Grüssen

Robert V.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Veltmann,

vielen Dank für Ihr Frage vom 10. September 2011.

Ich finde Ihren Gedanken sehr interessant, allerdings teile ich Ihre Vorstellungen nicht. Der Staat emittiert Anleihen, um seine Aufgaben finanzieren zu können. Diese Anleihen werden überwiegend von institutionellen Investoren aufgekauft. Nach Ablauf der Laufzeit der Anleihe, müssen diese einschließlich der Zinsen an den Halter zurückgezahlt werden. Das geschieht in aller Regel über neue Kredite. Das heißt die Staaten, die keinen ausgeglichenen Haushalt haben, tilgen nicht, sie schulden um.

Ihre These, dass die Gesellschaft nicht nur Schulden, sondern auch Forderungen vererben würde, halte ich nur für teilweise richtig. Die deutschen Staatsanleihen werden nicht nur von inländischen, sondern auch von ausländischen Investoren gehalten. Dabei handelt es sich oftmals um institutionelle Investoren, wie Banken, Versicherungen oder Pensionsfonds. Diese führen die Anleihen in ihrem Portfolio, da sie als relativ sicher gelten. Damit finanzieren z.B. Pensionsfonds die Altersvorsorge ihrer Versicherten oder Versicherungen legen die Gelder ihrer Versicherten darin an. Das heißt der kollektiven Schuld steht eine privatrechtliche Forderung gegenüber. Das Geld, dass der Staat sich leiht ist sehr real. Es ist das Geld der Sparerinnen und Sparer der Banken, der Versicherten der Versicherungsgesellschaften sowie derjenigen, die z.B. in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge investiert haben. Sollte der Staat seine Schulden nicht mehr verdienen, würde diese Gruppen die entsprechenden Summen verlieren. Das heißt, die Rendite der Riesterrente oder Lebensversicherungen würde sich verschlechtern, Banken müssten hohe Abschreibungen vornehmen und könnten damit in Existenznöte geraten. Wir reden nicht nur von mit "mit Tinte bedrucktem Papier", wir reden von Geld, welches Menschen ganz real erarbeitet haben und mit dem der Staat reale Leistungen, wie z.B. das Arbeitslosengeld II finanziert hat.

Die Annahme, dass es sich bei der Staatsverschuldung nur um fiktive Forderungen handelt, halte ich für sehr gefährlich und die Auswirkungen der Eurokrise gerade auf Banken und Versicherungen widerlegen diese. Die Staatsverschuldung ist sehr real und sie hat sehr reale Auswirkungen, wir sollten die entsprechenden Gefahren daher sehr ernst nehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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