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Volker Wissing
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Frage von Andrea S. •

Frage an Volker Wissing von Andrea S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Dr. Wissing,

die Diskussion um die Finanztransaktionssteuer vom letzten Jahr habe ich gelesen, besonders Ihre Antworten an H. B.. -- Mich wuerde noch interessieren, woher Sie die Gewissheit nehmen, dass die Finanztransaktionssteuer schaedlicher waere als eine Finanzaktivitaetssteuer.

Gibt es zuverlaessige wirtschaftswissenschaftliche Simulationen beider Massnahmen?

Sie argumentieren, dass es die Maerkte braucht, um sinnvoll auf wirtschaftliche Chancen zu reagieren. Bisher war ich geneigt, dieser Praemisse der Marktwirtschaft zuzustimmen. Inzwischen denke ich jedoch, dass sich die Finanzmaerkte von der Realwirtschaft abgekoppelt haben. Es geht nicht mehr um reales gutes Wirtschaften, sondern um Erwartungen an die Erwartungen an die Erwartungen .... Da mit diesen Spekulationen mehr Geld zu verdienen ist als mit realer Wertschoepfung werden Firmenzweige, die nur wenig Gewinn machen, geschlossen, obwohl diese tatsaechlich Wert schaffen. Das kann nicht gesund sein!

Sie stellen es so dar, als sei es erforderlich, auf jede kleine Schwankung in den Gewinnerwartungen zu reagieren. Ich vermute eher, dass gerade hier das Problem liegt. Weniger schnelles Reagieren koennte zu weitblickenderem Handeln fuehren und die Realwirtschaft gegenueber dem grossen "Wettbuero" der Boersen staerken. Auf welcher Basis sehen Sie das anders?

Mit freundlichen Gruessen

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Sehr geehrte Frau Schafferhans,

vielen Dank für Ihre Frage vom 2. September 2011.

Inwieweit es Simulationen an Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen gibt und inwiefern die zuverlässig sind, kann ich Ihnen nicht sagen. Da es gerade bezüglich der Einführung einer Finanztransaktionssteuer enorm viele Unsicherheiten gibt, sind die Folgen nur sehr schwer absehbar. Auch wenn sowohl SPD als auch Grüne die Finanztransaktionssteuer mit Milliardenbeträgen in ihre jeweiligen finanzpolitischen Konzepte aufgenommen haben, erscheint beiden Parteien die Einführung derart unrealistisch zu sein, dass sie die prognostizierten Einnahmen nicht einmal in ihren Berechnungen berücksichtigen wollen.

Die mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer verbundene Erwartungshaltung halte ich für deutlich übertrieben. Einen wirksamen Effekt könnte die Steuer nur dann entfalten, wenn sie auf internationaler Ebene eingeführt würde. Ein solcher Konsens ist nicht absehbar. Wenn sie aber auf einem begrenzten Raum eingeführt wird, dann dürfte sie sich für die Stabilität der Finanzmärkte eher kontraproduktiv auswirken. Oder glauben Sie, dass es für die Stabilität der Finanzmärkte positiv ist, wenn Finanztransaktionen von den relativ gut regulierten und beaufsichtigen Finanzmärkten Europas nach Asien verlagert werden?

Ich streite nicht ab, dass es im Zusammenhang mit Spekulationen auch Probleme gibt, aber ich kann in der Finanztransaktionssteuer keinen Beitrag zu deren Lösung erkennen. Spekulation wird nicht weniger, wenn sie eine Steuer einführen. Diese wird sehr schnell eingepreist und dann wird sie entweder umgangen oder die Investition so gestaltet, dass sie auch unter Berücksichtigung der Abgabe rentabel ist. Es steht sogar zu befürchten, dass Sie damit das Renditestreben der Märkte eher zusätzlich anheizen. Glauben Sie, dass es ein Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte wäre, wenn Sie einen Investor zwingen, länger an einem verlustbringenden Engagement festzuhalten? Solange die Spekulation einen realwirtschaftlichen Bezug hat, halte ich sie für wichtig. Wenn sich Spekulation aber verselbstständigen, können sie auch eine Gefahr für unser Finanzsystem darstellen. Allerdings lässt sich das eine nicht immer einfach vom anderen abgrenzen und die Geschwindigkeit des Transaktionsvorgangs halte ich dabei nur für einen bedingt geeigneten Indikator. Die Europäische Union und auch die amerikanische Finanzaufsicht überprüfen den Hochfrequenzhandel, der weitgehend vollautomatisch über Computersysteme abgewickelt wird. Dabei geht es insbesondere um die Begrenzung von automatisch von Computern ohne Einflussnahme bzw. Prüfung eines Händlers vorgenommenen Transaktionen. Natürlich bleibt die konkrete Ausgestaltung der Vorschläge abzuwarten, trotzdem halte ich diesen Ansatz für weitaus erfolgversprechender als die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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