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Volker Wissing
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Frage von André M. •

Frage an Volker Wissing von André M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Wissing,

Sie bezeichnen den Vorschlag des CDU-Abgeordneten Barthle, den Spitzensteuersatz zu erhöhen um im Gegenzug bei den mittleren und unteren Einkommen Steuern senken zu können, als "leistungsfeindlich". Wer erbringt denn in der Realwirtschaft dieses Landes Ihrer Meinung nach den Großteil der Leistungen? Sind das die wenigen Spitzenverdiener oder ist es die breite Masse der sogenannten Mittelschicht? Wen sollte man also eher entlasten?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen Dank für Ihre Frage vom 29. Juli 2011.

Manchmal verrechnen sich auch Haushaltspolitiker, Herr Barthle will mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes angeblich die Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen gegenfinanzieren. Dieses ist schon rein rechnerisch wenig realistisch, da eine Entlastung im unteren und mittleren Einkommensbereich deutlich mehr kostet, als eine Anhebung des Spitzensteuersatzes einbringt. Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat diese Problematik sehr anschaulich geschildert: "Eine Reform nach dem Motto, oben etwas mehr zu nehmen, um unten und in der Mitte mehr zu lassen, kann sich nicht selbst finanzieren. Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle hat sich offensichtlich verrechnet. Das darf nicht passieren." ( http://bit.ly/oxQPws )

Hinzu kommt, dass die oberen 5 Prozent der Steuerpflichtigen bei einem Anteil von 25,8 Prozent am Gesamtbetrag der Einkünfte zu rund 42 Prozent zum Einkommensteueraufkommen beitragen, während die – gemessen an der Höhe des Einkommens – unteren 50 Prozent der Steuerpflichtigen einen Aufkommensanteil von 6,2 Prozent haben. Die These, dass es Gutverdiener wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, ist daher falsch.

Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes ist aber auch deshalb leistungsfeindlich, da er bereits ab einem Einkommen in Höhe von 52.882 Euro greift. Für das Steuerrecht ist damit jeder Euro oberhalb eines entsprechenden Einkommens, ein Spitzenverdienst. Nun ist jemand der rd. 53.000 Euro verdient bestimmt nicht arm, aber ist er ein Spitzenverdiener? Während im unteren Einkommensbereich die Einkommensgrenzen kontinuierlich angehoben wurden, lag diese im oberen Bereich 1958(!) bei rd. 56.000 Euro und beträgt heute 52.882 Euro. 1958 war jemand mit einem Einkommen in Höhe von 110.040 DM aber tatsächlich ein Spitzenverdiener, heute gehört jemand mit einem Jahreseinkommen in Höhe von 52.882 Euro hingegen zur gutverdienende Mitte. Durch die ausbleibende Anpassung der Einkommensgrenzen an die Inflation hat sich der Spitzensteuersatz in die gesellschaftliche Mitte gefressen. 1958 erfasste das Steuersystem die gesamte Gesellschaft, dabei wurden die einzelnen Einkommensschichten entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung des Gemeinwesens beteilig. Heute beginnt die Besteuerung bei Aushilfskräften und greift bereits bei gut verdienden Angestellten und Facharbeitern mit dem Spitzensteuersatz zu. Der gesellschaftliche Aufstieg wird dadurch erschwert. Das Institut der Deutschen Wirtschaft kommt daher in einer Veröffentlichung zu dem Schluss, dass bezogen auf das Steuerrecht "1958 manches besser war." ( http://is.gd/EsZhxp )

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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