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Volker Wissing
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Frage von Thomas S. •

Frage an Volker Wissing von Thomas S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

Ihre Partei tritt seit längerem für eine Privatisierung des Betriebs der Deutschen Bahn ein.

Inwieweit ist in der "Bahnbranche" überhaupt echter Wettbewerb möglich? Hätte das privatisierte Unternehmen nicht automatisch ein Monopol?

Was sagen Sie zu den Befürchtungen, dass eine sich nur an Wirtschaftlichkeit orientierende Bahn den Betrieb von Strecken, welche weniger nachgefragt sind, einstellt, was erhebliche Nachteile für die Bürger vor Ort haben kann? Ist eine so elementare Dienstleitung ("Öffentliche Daseinsvorsorge") nicht an jedem Ort zu erbringen, auch wenn es nicht rentabel ist? Wie wollen Sie das bei einer privatisierten Bahn sicherstellen?

Zeigt das S-Bahn-Chaos in Berlin nicht, dass eine rein wirtschaftlich denkende Bahn ohne massive Nachteile für den Verbraucher nicht möglich ist?

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Schmidt

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schmidt,

vielen Dank für Ihre Frage vom 30. April 2011.

Das Kennzeichen eines freien Marktes ist der Wettbewerb. Wo dieser aufgrund der Marktstruktur bedroht oder eingeschränkt ist, muss der Staat dafür sorgen, dass die Mechanismen des Marktes wieder greifen können. Das Kartellamt ist in Deutschland für den Schutz des freien Wettbewerbs zuständig.

Der Rekommunalisierung von Dienstleistungen stehe ich skeptisch gegenüber, da die öffentlichen Strukturen auf eine Verwaltung, nicht aber auf ein freies Unternehmertum ausgerichtet sind. Außerdem besteht hier prinzipiell die Gefahr eines unfairen Wettbewerbs, wenn steuerlich begünstigte, öffentliche Unternehmen um Aufträge mit privaten konkurrieren. Auch wenn dieses für die Bürgerinnen und Bürger in manchem Einzelfall als vernachlässigbar oder gar sinnvoll erscheinen kann, unterm Strich werden auf diese Weise Steuergelder, Arbeitsplätze und damit Wohlstand vernichtet.

Wenn eine Bahn wirtschaftliche Aspekte außer Acht lässt, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Verlusten arbeiten. Diese werden von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ausgeglichen werden müssen, das heißt eine Bahn, die Verlust erwirtschaftet, muss entweder über höhere Steuern oder über Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen finanziert werden. Es stellt sich daher tatsächlich die Frage, ob die Aufrechterhaltung unrentabler Bahnstrecken Steuererhöhungen oder Einschnitte in den Sozialhaushalt rechtfertigt.

Das Recht auf Eigentum ist durch die Verfassung geschützt. Bevor ein Rechtsstaat zu Extremmitteln wie die Zerschlagung von Unternehmen greift, müssen alle anderen rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sein. Eine Zerschlagung von Unternehmen ist ein gravierender Eingriff in das Privateigentum und lässt sich in einem demokratischen Rechtsstaat nur sehr schwer legitimieren. Aufgrund ihrer wenig demokratischen und rechtsstaatlichen Tradition tut sich die Linkspartei mit solchen Forderungen leichter. Die Bundesnetzagentur überwacht unter anderem auch den Energiemarkt. Wenn Verstöße gegen geltende Gesetze vorliegen, ist sie befugt einzuschreiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Wissing, MdB

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