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Volker Wissing
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Frage von Roman B. •

Frage an Volker Wissing von Roman B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

ihr FDP-Bundestagskollege Frank Schäffler ist ein großartiger Mann. Ich zitiere folgenden Artikel, Quelle: http://www.freiewelt.net/nachricht-7032/fdp-widerstand-gegen-%22rettungsschirm%22.html .

"Die Liberalen setzen sich derzeit vermehrt gegen den sogenannten Rettungsfonds ESM zur Wehr. Unter der Leitung des FDP-Finanzpolitikers Frank Schäffler formierten sich mehr als 30 FDP-Politiker in einem Antrag für den FDP-Parteitag Mitte Mai für Ablehnung des europäischen "Rettungsschirm". Der Parteitag möge beschließen: "dass kein ständiger Eurofonds das unverzichtbare Eigeninteresse der Mitgliedsstaaten und ihrer Gläubiger an einer konsequenten Finanzpolitik und ihre Eigenverantwortung lähmt"

Zudem sind die Antragsteller für eine Insolvenzordnung für europäische Staaten mit starker Gläubigerbeteiligung und setzen sich für ein Verbot von Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ein. Sollte sich beim Parteitag eine Mehrheit für den Antrag bilden, müsste die schwarz-gelbe Koalition um ihre Handlungsfähigkeit fürchten. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hatte darauf hingewiesen, dass die getroffenen Regelungen zum ESM und der Koordinierung der Wirtschaftspolitik in Europa "Besorgnis erregend" seien, da sie der Schuldenpolitik der Länder keinen ausreichenden Riegel vorschöben.

Mehr unter: tagesspiegel.de"

Werden Sie ihren FDP-Bundestagskollegen Frank Schäffler bei seinem sehr vernünftigen Vorhaben unterstützen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Baumgart,

vielen Dank für Ihre Frage vom 15. April 2011.

Ihre Wertschätzung für Herrn Schäffler freut mich. Auch wenn ich seine Kritik für berechtigt und gut begründet halte, so teile ich sie nur bedingt. Wir reden in Deutschland sehr viel davon, dass wir mit deutschen Steuergeldern Griechenland, Portugal oder andere Länder retten und sehen nicht, dass wir damit auch uns retten. Der Erfolg der deutschen Wirtschaft basiert auf dem Export. Export steht aber nicht nur für eine große Wettbewerbsfähigkeit und Stärke, sondern auch für wirtschaftliche Abhängigkeit. Eine Exportwirtschaft braucht Märkte, sie braucht Kunden, die für die erzeugten Waren bezahlen können.

Wenn man über den Sinn oder Unsinn des Rettungsschirms urteilen will, darf man nicht nur diesen betrachten, man muss die Gesamtheit der wirtschaftlichen Verflechtungen mit einbeziehen. Der Economist beziffert das Volumen der finanziellen Verbindlichkeiten zwischen Deutschland und den drei Rettungsschirmländern Irland, Portugal und Griechenland auf rund 230 Mrd. Euro und stellt fest: "But compared with the potential costs of full-blown default, the amounts that Germany and other countries are likely to put into the three bail-out packages look like excellent value". (Quelle: http://is.gd/qMyfbw)

Man mag zu der Analyse des Economist stehen wie man will, aber eine verantwortungsbewusste Entscheidung muss die Folgen für die deutsche Wirtschaft mit in Betracht ziehen und muss sich selbstverständlich die Frage stellen, ob es nicht auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler billiger ist, in einen ungeliebten Rettungsschirm einzuzahlen, als eine deutsche Wirtschaftskrise in Kauf zu nehmen. Davon auszugehen, dass ein Forderungsausfall in Höhe von 30 - 40%, wenn man einen möglichen Haircut in diesen Ländern in Betracht zieht, ohne Folgen für die deutsche Wirtschaft, für den Arbeitsmarkt, für den deutschen Sozialstaat, halte ich für naiv. Ein solcher wäre aber mit massiven Wohlstandsverlusten, durch Arbeitsplatzabbau, Kreditklemme, ausbleibende Steuereinnahmen, etc. verbunden. Der Economist fordert Deutschland daher auf, nicht so scheinheilig zu tun und ich finde, dass wir uns dieser Kritik stellen müssen. Wir sollten nicht nur darüber reden, dass wir Griechenland, Portugal oder sonst wen retten, sondern sollten auch darlegen, dass wir damit stets auch deutsche Arbeitsplätze und deutschen Wohlstand sichern.

Ich habe dieses Thema auch mit Herrn Schäffler diskutiert, er hält das Risiko für die deutsche Wirtschaft für tragbar, ist bereit dieses einzugehen und den Euro notfalls auch scheitern zu lassen. Da ich die ökonomischen und auch sozialen Auswirkungen eines Scheiterns der Gemeinschaftswährung für gravierender halte als die deutschen Zahlungen für den Rettungsschirm, werde ich dem Antrag von Herrn Schäffler nicht zustimmen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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