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Volker Wissing
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Frage von Andreas R. •

Frage an Volker Wissing von Andreas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

die Präambel unseres Grundgesetzes beginnt wie folgt:

"Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."

Es ist umstritten, inwiefern die Präambel rechtlich als integraler Bestandteil des Grundgesetzes aufzufassen ist, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht bereits Urteile gefällt, bei denen die Präambel als mehr als nur eine bloße Auslegungshilfe gedeutet wurde, etwa im KPD-Urteil.

Laut Eurostat (Quelle: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_225_report_en.pdf ) kennen nur 47% der Deutschen eine Gottesgläubigkeit, während Präambeln in Verfassungen üblicherweise einen Minimalkonsens widerspiegeln sollen. Im Umkehrschluss heißt dies überspitzt formuliert: unsere Verfassung beginnt mit einer Lüge. Das Volk soll sich vor einem Gott verantwortlich fühlen, den es mehrheitlich gar nicht anerkennt. Somit besteht hier eine zumindest theoretische Gefahr, dass ein Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten bei der Anerkennung des Grundgesetzes hat. In meinen Augen ist der Gottesbezug im Grundgesetz anachronistisch und ausgrenzend.

Wird sich die FDP als liberale Partei für eine Streichung des Gottesbezuges, der übrigens ein Novum in der deutschen Verfassungsgeschichte darstellt, einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Reichhardt

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Sehr geehrter Herr Reichhardt,

vielen Dank für Ihre Frage vom 7. Januar 2010.

Der Gottesbezug in unserer Verfassung ist für mich weniger Ausdruck eines Bekenntnisses, als viel mehr der Versuch die Wurzeln der Werte unserer Gesellschaft zu verdeutlichen. Auch wenn ich Ihnen zustimme, dass sich immer mehr Menschen in Deutschland von den Kirchen abwenden, so sind die Grundwerte in unserer Gesellschaft nach wie vor christlich geprägt. Nichts anderes soll der Gottesbezug in der Verfassung zum Ausdruck bringen. Niemand wird dadurch diskriminiert oder ausgeschlossen. Ich halte es auch für wenig sinnvoll, den Verfassungstext dem jeweiligen Zeitgeist anzupassen.

Das Grundgesetz ist für mich eine Erfolgsgeschichte. Es steht für eine lange Zeit des Friedens, der Freiheit und des Wohlstandes. Die Verfassungsväter haben mit dem Gottesbezug deutlich gemacht, welches Werteverständnis ihren Überlegungen zugrundelag. Für mich ist die Beibehaltung des Gottesbezugs in der Verfassung weniger eine Frage des Bekenntnisses, als eine des Respektes vor unserem Grundgesetz, seiner Entstehung und seiner immensen Bedeutung dafür, dass Deutschland sich zu einem freien, friedlichen und offenen Mitglied eines geeinten Europas entwickeln konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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