Frage an Volker Wissing von Manuel B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wissing,
als Vorsitzender des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag möchte ich meine „kleine Anfrage“ an Sie richten, da ich Sie im TV als einen der wenigen kompetenten Leute in Finanzangelegenheiten wahrgenommen habe.
Ich persönlich empfinde Deutschland als teilsäkularisierten Staat, in dem es im Verfassungsrecht zwar keine Staatskirche gibt aber dennoch ein recht „partnerschaftliches Verhältnis“ existiert, etwa indem der Staat als Eintreiber für die Kirchensteuer eintritt. Zwar ist es jedem selbst überlassen aus der Kirche auszutreten und damit der Kirchensteuer „zu entkommen“, in einigen Bundesländern wird dafür jedoch eine Gebühr fällig.
Daher meine Fragen an Sie:
1. Halten Sie es für legitim wenn der Staat, das Finanzamt oder möglicherweise auch andere öffentliche Stellen, trotz Trennung von Staat und Kirche sowie weltanschaulicher Neutralität, das Geld für die verschiedenen Religionsgemeinschaften einzieht?
2. Welcher Verwaltungsaufwand bzw. damit verbunden, welche Kosten entstehen dem Staat jährlich durch den Einzug der Steuern?
3. In welchem Umfang wird Geld aus der eingezogenen Kirchensteuer zur Deckung des eigenen Verwaltungsaufwand einbehalten?
4. Wie hoch war das Kirchensteueraufkommen der BRD im Jahr 2008?
Und speziell eine Frage an Sie als Mitglied der FDP; in den Freiburger Thesen wurde mit dem „Kirchen-Papier“ die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert. Davon ist inzwischen nichts mehr im Programm der FDP zu finden. Ich fand die FDP bisher immer gerade deshalb vorbildlich, weil sie sich offen dafür eingesetzt hat den Staat bei seinen Aufgaben zu entlasten um im nächsten Schritt auch seine Bürger entlasten zu können.
5. Warum scheint sich die FDP im Hinblick auf die Kirche davon verabschiedet zu haben?
Viele Grüße
Manuel Bieh
Sehr geehrter Herr Bieh,
vielen Dank für Ihre Frage vom 8. Dezember 2009.
Der Staat hat nicht nur zu den Kirchen ein partnerschaftliches Verhältnis. Auf zahlreichen Politikfeldern kommt es immer wieder zu einer Zusammenarbeit von Regierung und Nichtregierungsorganisationen, gerade im sozial-karitativen Bereich ist diese Kooperation sehr stark ausgeprägt und durchaus im Interesse der Gesellschaft. Für mich ist dies kein Widerspruch zu der verfassungsrechtlich verankerten Trennung von Kirche und Staat.
Die Gebühren, die im Zusammenhang mit einem Kirchenaustritt erhoben werden, sind keine kirchlichen sondern staatliche Gebühren. Die Höhe sollte sich daher an den tatsächlichen Kosten des Verwaltungsaktes orientieren. Wie hoch diese sind, kann ich Ihnen leider nicht sagen.
Der Einzug der Kirchensteuer durch die Finanzämter ist für mich durchaus mit der weltanschaulichen Neutralität des Staates vereinbar, schließlich wird die Kirchensteuer nur eingezogen, wenn Sie Mitglied einer Glaubensgemeinschaft sind. Hinzu kommt, dass die Bundesländer den Kirchen für den Einzug der Kirchensteuern Gebühren in Höhe von 2 bis 4% des Kirchensteueraufkommens in Rechnung stellen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Bemessung der Gebühren an den durch den Steuereinzug entstehenden Kosten orientieren.
Beigefügt finden Sie einen Auszug aus der "Datensammlung zur Steuerpolitik" (Neuauflage Juli 2008) des Bundesministeriums der Finanzen dem Sie die Höhe der festgesetzten Kirchensteuer bezogen auf das Jahr 2003 entnehmen können.
Die FDP hält an der Trennung von Kirche und Staat fest. Der Einzug der Kirchensteuer steht für mich nicht im Widerspruch dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB