Frage an Volker Wissing von Marian V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Wissing.
Seit Anfang der 90er Jahre haben Banken versucht, durch eine immer risikoreichere Kreditvergabe insbesondere im Baufinanzierungsbereich ihre Erträge zu steigern. Kunden wurden oft über unseriöse Finanzvertriebe (Strukturvertriebe) geworben Immobilienkapitalanlagen zu zeichnen, die sich angeblich durch Mieteinnahmen und Steuerersparnis fast von selbst rechnen würden. Die Banken sparten sich dadurch Vertriebskosten. So wurden oft überteuerte Immobilien zusammen mit den Finanzierungen im Paket durch die Vertriebe verkauft. Der Kunde selbst hat die Bank nur in den seltensten Fällen von innen gesehen. Die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG hat Immobilien bis zu 180% des Wertes finanziert ( http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,7594158,00.html ).
Dass sich die ganze Sache nicht rechnen konnte, liegt auf der Hand. Diese ganzen Umstände waren der Bank, den Strukturvertrieben, den Bauträgern und auch den Notaren bekannt. Der einzig Unwissende war der Kunde, der aber die volle Haftung zu übernehmen hatte. So diente der Bank nicht nur die (überteuerte) Schrottimmobilie als Sicherheit, sondern der Kunde wurde mit seinem gesamten Privatvermögen "verhaftet". Kam es zu Verkäufen oder Zwangsversteigerungen, so wurde der Kredit aufgrund eines Bruchteils des Verkaufserlöses nur teilweise getilgt. Für den verbleibenden Darlehensteil haftete der Kunde ja schließlich mit seinem Privatvermögen.
Meiner Meinung nach wäre dieses Dilemma einfach zu lösen.
Ist es nicht möglich, die Banken dazu zu verpflichten, einen Immobilienkredit lediglich in Höhe des von einem qualifizierten Sachverständigen ermittelten Immobilienwert zu finanzieren? Sofern die Bank mehr finanzieren will, kann sie ja einen Blankokredit vergeben.
Somit würde den exzessiven Überfinanzierungen (Hypo-Bank 180%) ein Riegel vorgeschoben werden und die sich daraus ergebenden finanziellen und persönlichen Folgen könnten zumindest größtenteils vermieden werden.
Sehr geehrter Herr Vesely,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 24. Juli 2009.
Unter normalen Umständen haben die Banken ein großes Interesse daran, Gebäude eher zu gering als zu hoch zu bewerten. Das Problem der Schrottimmobilien ist vor allem auch auf die Kombination des Verkaufs von Immobilien mit bestimmten Anlageprodukten zurückzuführen. Der Vermarktung von Schrottimmobilien lag eine Mischkalkulation zugrunde, aus dem Immobilienwert einerseits und dem erwarteten Ertrag aus dem vermittelten Anlageprodukt andererseits. Dies hat dazu geführt, dass es für das betreffende Institut wirtschaftlich interessant sein konnte, die Immobilie möglichst hoch zu bewerten, um gleichzeitig ein entsprechend teures Anlageprodukt zu vermarkten. Normalerweise ist es für eine Bank hochriskant im Rahmen eines normalen Kreditgeschäftes eine Sicherheit zu hoch zu bewerten, in aller Regel wird die Tendenz sogar eher dahin gehen, diese mit einem möglichst niedrigen Wert anzusetzen.
Gesetzgeberisches Handeln ist meistens reaktiv, kann aber nicht jeden Missbrauch oder Betrug verhindern. Wenn sich, wie von Ihnen beschrieben, Banken, Bauträger und Notare in betrügerischer Absicht zusammentun, dann ist es dem Gesetzgeber unmöglich alle Eventualitäten vorauszusehen und die Gesetze entsprechend zu formulieren. In diesen Fällen ist und bleibt es Aufgabe der Justiz, für Gerechtigkeit zu sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB