Frage an Volker Wissing von Christopher W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
im Vorfeld der anstehenden Europa- und Bundestagswahl wende ich mich heute an Sie persönlich. Aktueller Anlass ist der am 05.06.09 erfolgte Beschluss der Innenministerkonferenz der Länder, der ein "Herstellungs- und Verbreitungsverbot" von Action-Computerspielen vorsieht.
Dieser Beschluss ist eine Reaktion auf den entsetzlichen Amoklauf eines 17-jährigen Jugendlichen im baden-württembergischen Winnenden, der die Diskussion um die Wirkung von Computer- und Videospielen neu entfacht hat. (Vor-)schnelle Verbotsforderungen werden den vielschichtigen
Aspekten solcher Ereignisse nicht gerecht, wirken im Gegenteil eher verharmlosend und verhindern so eine gründliche Aufarbeitung. Mit Bedauern stelle ich fest, dass die Debatte von Unkenntnis, Polemik, Unsachlichkeit und Vorurteilen geprägt ist, gerade aus den Reihen der Politik.
"Gewaltverherrlichende" Medien hingegen sind aus gutem Grund verboten. Doch ein prinzipielles Herstellungs- und Vertriebsverbot von Filmen und Computerspielen für Erwachsene steht aus meiner Sicht im Widerspruch zu Artikel 5 unseres Grundgesetzes ("Eine Zensur findet nicht statt").
Vielmehr gilt es, Kinder und Jugendliche vor Inhalten zu schützen, die nicht für ihr jeweiliges Alter freigegeben sind. In Deutschland gelten schon jetzt die europaweit strengsten Gesetze; Mitte
2008 wurde das Jugendschutzgesetz auf Initiative von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen noch einmal erweitert. Seit 1.04.03 versieht die USK Computer- und Videospiele - analog zu Spielfilmen - mit eindeutigen,
auffälligen Alterskennzeichnungen; 5% der im Jahre 2008 geprüften Spiele sind auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten und werden daher mit "Keine Jugendfreigabe" eingestuft. Diese Kennzeichnung ist ein hoheitlicher Verwaltungsakt durch die Obersten Landesjugendbehörden. Produkte, die den strengen Kriterien nicht genügen, werden nicht gekennzeichnet und können von der BPjM indiziert werden.
Mit freundlichen Gruß
Christopher Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 8. Juni 2009.
Einem Verbot von so genannten Killerspielen stehe ich skeptisch gegenüber. Für mich sind diese Spiele weniger die Ursache für Verbrechen, als vielmehr Symptome bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen. Die Politik kann sich aber nicht darauf beschränken plakative Symptombehandlungen durchzuführen, sie muss an die Ursachen gehen.
Es ist außerdem höchst fragwürdig, ob es tatsächlich eine so eindeutig belegbare Korrelation zwischen Killerspielen und Gewaltbereitschaft gibt, wie dieses immer wieder suggeriert wird. Bei einem intakten sozialen Umfeld und festen Wertmaßstäben erscheint mir die Gefährdung durch Computerspiele gering. Deshalb sind für mich Beratungs- und Präventionskonzepte, welche die Ausbreitung von Gewalt verhindern und die Medienkompetenz von Jugendlichen stärken, wichtiger und erfolgversprechender als eine rein reaktive Verbotspolitik.
Der Jungendschutz soll Jugendlichen an selbstständige Entscheidungen heranführen und ihnen helfen, sich sukzessiv an eine größer werdende Verantwortung zu gewöhnen. Verbote sind hier sehr problematisch, da sie die individuelle Auseinandersetzung des Jugendlichen nicht unterstützen, sondern per staatlichem Verdikt beenden. Verbote sind daher bestenfalls zweite Wahl, viel wichtiger ist es, dass Jugendliche ihre Handlungen in einen Kontext einbetten können und sich stets des Unterschieds zwischen Computer- und Lebensrealität bewusst sind ? was der überwältigenden Mehrheit der Jugendlichen auch hervorragend gelingt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB