Frage an Volker Schneider von Manfred E. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schneider,
vor kurzem wurde in den Medien mitgeteilt, dass die staatliche Förderung der Betriebsrenten erhalten bleibt. Auf diese Weise bleiben die Beiträge der Beschäftigten zur betrieblichen Altersvorsorge unbefristet von Sozialabgaben und Steuern befreit.
Sie als Rentenexperte der Linksfraktion haben die Rücknahme der doppelten Verbeitragung der Betriebsrenten (Sozialabgaben auf die laufenden Beiträge und Sozialabgaben auf die Auszahlungen plus Zinsen), die im Jahr 2004 beschlossen wurde, kritisiert.
Sie führen unter anderem an, dass die Sozialabgabenfreiheit bei den Sozialversicherungen zu Beitragsausfällen führt. Das ist sicher richtig.
Vordergründig geht es hier aber nicht um Beitragsausfälle, sondern um die Rücknahme einer im höchsten Maße ungerechten Gesetzesänderung aus 2004, die bei Betriebsrenten, leider auch bei Altverträgen, denen man keinen Vertrauensschutz zugebilligt hat, zu einer doppelten Verbeitragung führt.
Halten Sie doppelte Beiträge oder gar Steuern für sozial gerechtfertigt?
Als Mitglied einer Partei, die permanent die soziale Gerechtigkeit postuliert, kann die Rücknahme der Gesetzesänderung aus 2004 doch nur im Sinne der Linkspartei sein?
Denken Sie bei Ihrer Kritik nicht an die vielen Menschen, die trotz finanzieller Anstrengungen versuchen, durch entsprechende Maßnahmen Ihre Rente im Alter aufzubessern?
Ist es Ihrer Meinung wirklich falsch, wenn Betriebsrenten vom Staat nicht doppelt mit Beiträgen belastet werden.?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Ehrich
Sehr geehrter Herr Ehrich,
der deutsche Bundestag hat am 8.11.07 in zweiter und dritter Lesung den Gesetzesentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung abschließend beraten und verabschiedet. Hintergrund dieses Gesetzesentwurfs war die Tatsache, dass mit der Rentenreform 2001 Beschäftigten das Recht eingeräumt wurde, Teile ihres Gehalts steuer- und sozialabgabenfrei zum Aufbau einer Betriebsrente zu verwenden. Diese Förderung war von der damaligen rot-grünen Koalition als Anschubfinanzierung gedacht, damit ein Anreiz zu einem sofortigen Abschluss solcher Verträge gegeben ist; um die neue „Säule“ Betriebsrente möglichst schnell auf ein möglichst breite Basis zu stellen. Aufgrund dieser Tatsache wurde die Sozialabgabenfreiheit bis Ende 2008 befristet.
Noch im März dieses Jahres hat der damalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering erklärt: „Das Ziel ist erreicht, und die Förderung kann, wie vorgesehen, zum 31. Dezember 2008 auslaufen.“ Jedenfalls beantragte die Bundesregierung (nachzulesen ist dieser Antrag unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/065/1606539.pdf ): „Die Förderbedingungen für die Entgeltumwandlung bleiben auch über 2008 hinaus unverändert bestehen. Hierzu wird die Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung auf Dauer festgeschrieben.“
Unsere Kritik richtet sich dabei ausschließlich gegen den Wegfall des § 115 SGB IV und die damit verbundene Beitragsbefreiung der Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung in der gesetzlichen Sozialversicherung. Weder zur Frage der Steuerbefreiung noch zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung haben wir uns geäußert. Insoweit ist ihre Annahme, dass wir uns auch gegen die „die Rücknahme einer im höchsten Maße ungerechten Gesetzesänderung aus 2004, die bei Betriebsrenten, leider auch bei Altverträgen, denen man keinen Vertrauensschutz zugebilligt hat, zu einer doppelten Verbeitragung führt“, gewandt hätten, schlicht falsch.
Aber da die Koalition über den Gesetzentwurf insgesamt (und nicht Artikel für Artikel) abstimmen ließ, konnten wir das Gesetz in seiner Gesamtheit nur ablehnen, weil die Sozialabgabenbefreiung für uns insbesondere aus folgenden Gründen nicht zu akzeptieren ist:
Erstens. Es entstehen neue Versorgungslücken. Denn jeder Betriebsrentner zahlt niedrigere Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung. Ob dies durch die höheren Betriebsrenten wieder ausgeglichen wird, ist überhaupt nicht gewährleistet. Seriöse Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund besagen: Wenn ein Mann über 40 und wenn eine Frau über 30 eintritt, dann ist das Ganze ein Minusgeschäft.
Zweitens. Die Gesetzesänderung hat auf jeden Fall niedrigere Rentenanpassungen zur Folge. Denn durch die Beitragsbefreiung wird die Höhe der sozialversicherungspflichtigen Löhne gemindert. Damit steigt nicht nur die Rente geringer an, sondern auch die die Sozialhilfe und das ALG II. Halten sie es für gerechtfertigt, dass Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger Betriebsrenten mitfinanzieren sollen?
Drittens. Die Beitragsbefreiung nutzt natürlich nur denen, die Betriebsrentenverträge abgeschlossen haben. Die Belastungen tragen aber alle, auch diejenigen, die gar keine Betriebsrentenverträge abschließen können, sei es aus gesetzlichen Gründen hier denke ich an Selbstständige und Arbeitslose, sei es, weil sie dafür schlicht kein Geld haben.
Viertens. Die Beitragsbefreiung führt zu Beitragsausfällen in allen Sozialversicherungszweigen. Ob es sich um 2 Milliarden Euro in allen Zweigen der Sozialversicherung insgesamt oder um 2 Milliarden Euro allein in der Rentenversicherung handelt (wie dies Sachverständige unterschiedlich beziffern), spielt eigentlich keine Rolle. Diese Beitragsausfälle müssen ausgeglichen werden, sei es durch Beitragserhöhungen oder durch Leistungsminderungen.
Fünftens: In einer gemeinsamen Presseerklärung haben das Bundesarbeitsministerium und das Bundesfinanzministerium noch Ende des Jahres 2006 die Auffassung vertreten, dass nicht nur die Beitragsausfälle in der Sozialversicherung Probleme aufwerfen, sondern dass die Beitragsfreiheit innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu Verteilungseffekten führt, die auf Dauer nicht akzeptabel sind. Das war, ist und bleibt richtig. Warum das Ministerium auch hierzu seine Meinung geändert hat, müssten sie dort erfragen.