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Volker Blumentritt
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Frage von Alexander K. •

Frage an Volker Blumentritt von Alexander K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Blumentritt,

wie ich aus der Abstimmungsliste des Deutschen Bundestages entnehmen konnte, haben Sie für das neue BKA-Gesetz gestimmt. Könnten Sie bitte kurz begründen warum? Was halten Sie von den kritischen Stimmen unter anderem aus der Branchenvereinigung Bitkom, dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und dem Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands?

Da Sie dafür gestimmt haben, haben Sie sicher auch das entsprechende Hintergrundwissen zu Fragen wie der technischen Realisierung der sogenannten Online-Durchsuchung und vor allem der Frage: Über welche Zahl (absolut und relativ) an Steigerung der Aufklärungsquote reden wir eigentlich bei der Online-Durchsuchung und den anderen erweiterten Befugnissen des BKA? Rechtfertigt dies ggf. einen Eingriff in die Privatsphäre Unschuldiger? Sind die vorhandenen Mittel - wie die Hausdurchsuchung - wirklich nicht ausreichend?

Womit wir auch wieder bei der Frage nach der technischen Realisierung - hier vor allem der sogenannten Online-Durchsuchung - wären: Ist und wenn ja wie wird sichergestellt, dass es nur den gewünschten Ziel-Computer betrifft? Was passiert eigentlich mit Zielpersonen, deren Rechner nicht am Internet hängen?

Eine weitere Frage betrifft die Abstimmung und das Abstimmungsverhalten einiger SPD-Abgeordneter. Wie ist es möglich, dass 14 SPD-Abgeordnete in einer gemeinsamen Deklaration ihre Bedenken gegen das Gesetz zu Protokoll gaben, aber mit ja stimmten? Ich dachte, der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen Rechenschaft schuldig und scheinbar haben diese 14 Abgeordnete ein Problem mit dem Gesetz. Da ich die Erklärung bis jetzt nicht öffentlich finden konnte, waren Sie einer dieser Abgeordneten?

Wie Sie sehen, Fragen über Fragen, bei denen ich hoffentlich nicht zu sehr ins polemische abgeschweift bin.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Knoll,

für Ihre Fragen vom 13. November 2008, zur Neufassung des BKA-Gesetzes (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt) danke ich Ihnen. Da es sich bei der Neufassung des BKA-Gesetzes um einen bis Ende Dezember 2008 anhaltenden Prozess handelte, antworte ich ihnen erst zum jetzigen Zeitpunkt.

Am 12. November 2008 wurde das BKA-Gesetz vom Deutschen Bundestag mit der Mehrheit von CDU und SPD verabschiedet. Im Bundesrat fand das Gesetz am 28. November 2008 keine Mehrheit. Nachdem das Gesetz nach vorgenommenen Änderungen, den Vermittlungsausschuss passierte, akzeptierte der Bundesrat den geänderten Entwurf am 19. Dezember 2008. Das Gesetz trat zum 1. Januar 2009 in Kraft.

Dem Gesetzentwurf zur Neufassung des BKA-Gesetzes habe ich nach Beratung mit Fachkollegen meiner Fraktion im November 2008 zugestimmt. Auch die erzielten Kompromisse der Nachverhandlungen (in denen wesentliche Forderungen der SPD, wie etwa die Sicherstellung einer besonders hohen Eingriffsschwelle oder die Einbeziehung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes) umgesetzt werden konnten, waren ausschlaggebend für meine Entscheidung. Wichtig erscheint mir die Ausgewogenheit zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger und den Sicherheitsinteressen des Staates bei der Bekämpfung von Schwerstkriminalität. (Wir sprechen hier ausschließlich vom Terrorismus.) Die getroffenen neuen gesetzlichen Regelungen sind allein vor dem Hintergrund einer latenten Bedrohung durch den internationalen Terrorismus zu verstehen.

In entsprechenden Fällen - nämlich dann, wenn sich bei der Überprüfung herausstellt, dass die Grenze zur Strafbarkeit bereits überschritten wurde – ermittelte das Bundeskriminalamt (BKA) bereits vor der Gesetzesänderung in der Praxis. In einem solchen Fall zieht die Bundesanwaltschaft den Fall an sich und beauftragt das Bundeskriminalamt (BKA) mit den Ermittlungen. Diesem „Hin und Her“ der Kompetenzen bereitet das neue BKA-Gesetz ein Ende. Aus diesem Grund wurde mit der ersten Stufe der Förderalismusreform das Grundgesetz in Art. 73 Nr. 9 a GG geändert. Damit erhält der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, um das Bundeskriminalamt (BKA) mit entsprechenden Rechten und präventiven Befugnissen der Länderpolizeien und Geheimdiensten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus auszustatten. Neben der öffentlichen stark diskutierten Online-Durchsuchung betrifft dies unter anderem die Raster- und Schleierfahndung, den Einsatz verdeckter Ermittler, die Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung und sogenannte „Lauschangriffe“. Anders als alt hergebrachte Ermittlungsmethoden stellt die Online-Durchsuchung natürlich ein Novum dar. Aus der Praxis des Bundesnachrichtendienst (BND) ist bekannt, dass bei auslandsbezogenen Ermittlungen über die Online-Durchsuchung wichtige Erfolge erzielt werden konnten. Die Kommunikation Terrorverdächtiger wird zunehmend konspirativer. Elektronische Kommunikation spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die herkömmliche Telefonüberwachung hilft hier nicht weiter.

Natürlich darf das Bundeskriminalamt (BKA) die Befugnisse nur unter strikter Beachtung unserer verfassungsrechtlichen Grundsätze in eng umgrenzten und zuvor definierten Fällen anwenden. Hierzu gehört auch, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen nur gegenüber dem Tatverdächtigen bzw. seiner Kontakt- und Begleitperson angeordnet werden dürfen. Der Kernbereich privater Lebenssphäre muss (und wird) für das Bundeskriminalamt (BKA) tabu bleiben. Das Bundeskriminalamt (BKA) und alle anderen Polizeidienststellen dürfen nicht wahllos abhören oder überwachen. Möglich ist die Überwachung auch nur dann, wenn die Unversehrtheit einer Person gewährleistet oder der Bestand des Staates gefährdet ist.

Im ersten Schritt der Ermittlungen, muss ein Richter die Online-Durchsuchung anordnen. Der weisungsunabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundeskriminalamtes hat hier eine Schlüsselrolle. Denn nicht erst bei seinem begründeten Verdacht, sondern auch schon bei Zweifeln muss ein Richter hinzugezogen werden. Diese Regelung wurde auch durch den Bundesdatenschutzbeauftragten, Peter Schaar, für geeignet befunden. Werden die Daten eines Verdächtigen erhoben, überprüfen zwei Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) und zusätzlich auch der Datenschutzbeauftragte des Bundeskriminalamts (BKA), ob der Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzt wurde. Die Verwendung von Informationen aus diesem Kernbereich ist grundsätzlich verfassungswidrig und nicht gestattet. Nur bei "Gefahr im Verzug" darf der Präsident des Bundeskriminalamts die Online-Durchsuchung auch ohne richterliche Genehmigung anordnen. Diese muss aber innerhalb von drei Tagen eingeholt werden. Der sogenannte „Bundestrojaner“ mit dem der Computer eines Verdächtigen ausgespäht wird, muss per E-Mail oder über einen anderen technischen Weg installiert werden. Das Betreten einer Wohnung für diesen Zweck ist nicht zulässig.

Auf Drängen der SPD wird die Online-Durchsuchung zunächst bis zum Jahr 2020 befristet. Befugnisse wie Rasterfahndung oder Online-Durchsuchung werden nach fünf Jahren von der Bundesregierung auf ihren Nutzen und ihre Ergebnisse hin evaluiert. Durch diese Hürden bleiben wichtige Bürgerrechte gewahrt und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes im Gesetz erfüllt. Das Gesetz zur Abwehr der Gefahren des Internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt ist ein rechtsstaatliches Polizeigesetz. Es hat seine Grundlage in einer Verfassungsänderung, die mit breiter Mehrheit im Bundestag und Bundesrat nach der Bundestagswahl 2005 verabschiedet wurde.

Festzuhalten bleibt, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland in einem Rechtsstaat leben. In keinem Land der Welt hat der Schutz der Grundrechte die Priorität wie in unserem Land. Nur in Deutschland existiert ein Gericht von der Bedeutung unseres Bundesverfassungsgerichts. Nur hier gibt es einen Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz, der es jedem Bürger ermöglicht, jede staatliche Maßnahme, die (gefühlt) in seine Grundrechte eingreift, durch ein unabhängiges Gericht überprüfen zu lassen. Wir leben in einem freien und sicheren Land. Unsere Sicherheitsarchitektur hat sich bewährt. Wir haben die Aufgabe diese mit Augenmaß auch aktuellen Ereignissen anzupassen und zu entwickeln.

Sie werden verstehen, dass ich Ihnen lediglich Gründe für mein Abstimmungsverhalten näher erläutern kann. Das Abstimmungsverhalten und die Beweggründe anderer Bundestagsabgeordneter entziehen sich aus nachvollziehbaren Gründen meinen Kenntnissen.

In der Hoffnung Ihnen mit meiner Antwort ihre Fragen beantwortet und Bedenken genommen zu haben, verbleibe ich mit

freundlichen Grüßen
Volker Blumentritt