Frage an Volker Beck von Albrecht K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
gegenüber der Berliner Zeitung sagten Sie über den neuen Einbürgerungstest "Hier wird ein Wissen abverlangt, über das die meisten Deutschen wohl erst verfügen, wenn sie ein Semester Staatsrecht studiert haben."
Ich habe kein Staatsrecht studiert und trotzdem (ohne Vorbereitung) bei dem Test 33 von 33 Fragen richtig beantwortet. Die Fragen erschienen mir ehrlich gesagt ziemlich trivial (vor allem im Hinblick auf die Rechte, die die deutsche Staatsbürgerschaft mit sich bringt).
Daher meine Frage: welche der 330 Fragen sind es, die aus Ihrer Sicht so unangemessen schwierig sind?
Und noch eine weitere Frage: die klassischen Einwanderungsländer wie z.B. Kanada stellen an Einwanderer Voraussetzungen, die um ein Vielfaches über das hinausgehen, was jetzt in Deutschland gefordert wird: http://www.cic.gc.ca/english/immigrate/skilled/index.asp
Wie stehen Sie zu diesen Anforderungen und wäre das nicht eine Möglichkeit, genau die Einwanderer nach Deutschland zu lassen, die wir dringend benötigen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können?
Mit freundlichen Grüßen
Albrecht Klein
Sehr geehrter Herr Klein,
das Zitat von Herrn Beck bezog sich konkret auf die Frage im Test, welche staatliche Ebene verfassungsrechtlich für die Schulpolitik zuständig sei. Sicher ist es wünschenswert, wenn möglichst viele Menschen diese Frage in unserem Land beantworten können. Ob die korrekte Beantwortung indes eine Voraussetzung zur Erlangung der Staatsbürgerschaft sein muss, möchten wir bezweifeln.
Uns geht es darum Einbürgerungen zu erleichtern. Die Aufforderung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Frau Böhmer, es mögen sich doch mehr Ausländer einbürgern lassen, ist in diesem Zusammenhang scheinheilig. Frau Böhmer benimmt sich wie jemand, der erst alle Brücken über einem Fluss in die Luft sprengt und dann bedauert, dass so wenige Menschen hinüberschwimmen können. Die Einbürgerungszahlen sind im Keller. Im letzten Jahr ist diese Zahl noch einmal um cirka 10 Prozent gesunken -- Ergebnis einer verfehlten Einbürgerungspolitik der großen Koalition:
* Sie hat das Thema Einbürgerung aus dem Nationalen Integrationsplan vollständig ausgeklammert.
* Sie hat -- allen Krokodilstränen zum Trotz - im letzten Jahr die Einbürgerungsmöglichkeiten gerade für junge Migrantinnen und Migranten verschlechtert.
* Und sie hält an dem fatalen, staatsangehörigkeitsrechtlichen Optionsmodell fest -- also dem Zwang für in Deutschland geborene junge Erwachsene, die ihr ganzes bisheriges Leben den deutschen und einen anderen Pass besessen haben, sich bis zum 23. Lebensjahr zwischen dem deutschen und dem Pass ihrer Eltern entscheiden zu müssen.
Und jetzt legt wird ein Einbürgerungstest vorgelegt , der die Menschen nicht ermutigt, sich einzubürgern, sondern der diese Menschen abschrecken soll. Nach einer ersten Analyse beanstanden wir mindestens 40 der 300 vorgestellten Fragen: Das inhaltliche Niveau der Fragen ist häufig zu hoch.
Bespiele:
- Fragen nach Inhalt der Römischen Verträge (Aufgabe 237 + 239),
- Frage nach Luxemburg als Sitz des Generalsekretariats des Europäischen Parlaments (Aufgabe 238);
- Frage nach Mindest- und Höchstalter von Schöffen (Aufgabe 298)
- Frage: Aus welchen Ländern stammten die in der DDR lebenden Migranten vor allem (Aufgabe 149)
Die Formulierungen der Fragen gehen über das per Gesetz für eine Einbürgerung erforderliche Sprachniveau B1 hinaus. Weiter ist die Fragetechnik vielfach darauf ausgelegt, Testkandidaten in die Irre zu führen. Es finden sich Verneinungsfragen, viel zu enge Antwortalternativen, die bei Personen ohne vertieftes historisches bzw. staatspolitisches Wissen falsche Antworten gerade zu herausfordern:
· Welchem Grundsatz unterliegen Wahlen in Deutschland (Aufgabe 122) ?
· Welcher Politiker steht für die "Ostverträge" (Aufgabe 211) ?
· Wie viele Einwohner hat Deutschland (Aufgabe 213); (Hier muss übrigens auch die Antwort überarbeitet werden, nachdem in Deutschland nach Einschätzung des obersten hessischen Statistikers einige Millionen Menschen weniger als angenommen leben. Die nächste Volkszählung werde dazu führen, dass die Einwohnerzahl nach unten korrigiert werden müsse, sagte der Präsident des Hessischen Statistischen Landesamts, Eckart Hohmann, kürzlich gegenüber Deutschen Presse-Agentur dpa. «Wir haben viele Karteileichen in den Melderegistern.» Die Größenordnung könne bis zu fünf Prozent betragen, das wären gut vier Millionen Menschen.)
· Wie viele Bundesländer kamen bei der Wiedervereinigung 1990 zur Bundesrepublik Deutschland hinzu (Aufgabe 218)
Falsch ist im übrigen auch die Aussage des Bundesinnenministeriums, der Test sei an das US-Modell angelehnt:
· Der Fragepool umfasst in den USA aber nicht 300, sondern nur 100 Fragen.
· Es werden in den USA nicht 33, sondern nur 10 Frage ausgewählt.
· KandidatInnen müssen in den USA 6 und nicht 17 Fragen richtig beantworten.
Überdies stellt sich bei einigen Fragen verschärft die integrationspolitische Relevanz, so z.B. das abgefragte Detailwissen zur Hundesteuer (Aufgabe 282 + 288).
Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck