Frage an Volker Beck von Ralf W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Einen komplizierten Sachverhalt verständlich darzustellen ist immer eine schwierige und gefahrenbehaftete Aufgabe. Trotzdem habe ich das Gefühl, daß unsere Delegierten sich wenig Mühe geben, den Bürgern den Vertrag auch inhaltlich nahe zu bringen. Und was man nicht kennt, mag man nicht gutheißen.
Welche Möglichkeiten gibt es, sich über die Konsequenzen des Reformvertrages zu informieren in einer Sprache, die auch für Nicht-Juristen verständlich ist? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus, daß der Vertrag nun nicht Verfassungsrang erhält? War das Wort Verfassung einfach nur unglücklich gewählt?
Sehr geehrter Herr Weis,
wir Grünen haben uns immer für den Begriff der Verfassung eingesetzt, denn er entstand in einer Zeit, in der wir die Überwindung der Teilung Europas in Ost und West feierten und mit der so genannten Osterweiterung einen bedeutenden Schritt in Richtung einer gesamteuropäischen Union vorbereiteten. Der Begriff und das Konzept der Europäischen Verfassung sind Ausdruck dieses historischen Kontextes und ein Leitbild für die weitere europäische Integration. Tatsächlich ähnelte der Verfassungsvertrag einer Verfassung, denn er führte im vorderen Teil die europäischen Grundrechte auf, nannte die für Außenpolitik zuständige Person Außenminister und die heutigen Verordnungen und Richtlinien hießen Gesetze und Rahmengesetze. Schließlich wurden die europäische Flagge, die europäische Hymne und das europäische Motto festgeschrieben.
Dennoch blieb auch dieser Verfassungsvertrag immer ein völkerrechtlicher Vertrag. Er fasste erstmals alle Verträge, auf denen die EU fußt, zusammen, bündelte die Ziele, Zuständigkeiten und Politikinstrumente der EU und machte die europäischen Regelungen transparenter und einfacher.
Bei den Verhandlungen zum Vertrag von Lissabon, die nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und in den Niederlanden notwendig geworden waren, wurden der Begriff der „Verfassung“ sowie alle anderen Elemente, die auf eine Staatlichkeit der EU hindeuten könnten, gestrichen. Das bedauern wir. Denn genau das sind zentrale Elemente einer stärkeren Identifizierung mit der EU. Aber das ändert nichts an der Gültigkeit der wichtigen Reformen in diesem neuen Vertrag.
Was die Sprache anbelangt, so können wir Ihnen zustimmen: Ja, der Verfassungsvertrag war viel verständlicher als der neue Vertrag geschrieben.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck