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Volker Beck
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Frage von Gerhard O. •

Frage an Volker Beck von Gerhard O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Beck,
ich gehöre als systemischer Therapeut und Seelsorger auch zu denen, die Menschen beistehen, die unter ihrer Homosexualität leiden. Die Herren Van Aardweg, Nikolosi etc. sind mir bekannt, aber eben auch der von Ihnen so hochgelobte Humanwissenschaftler Udo Rauchfleisch. Von Ihm stammt eine Untersuchung zu dem Thema: "Zufriedenheit von Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit und ohne Kinder" (System Familie (1999) 12: 74-79).
Dort erwähnt er zwar: "Die Ergebnisse beziehen sich auf eine ausgewählte, nicht repräsentative Population lesbischer Frauen, die sich selbst offen als lesbisch definieren und die sich durch die hauptsächlich über Lesbenorganisationen und Frauenberatungsstellen verteilten Aufrufe zu einer Teilnahme an der Untersuchung motivieren liessen. Die Daten lassen sich deshalb nur mit Vorbehalt auf verdeckt lebende lesbische Paare übertrage." Was ihn gleichwohl nicht daran hindert ein allgemeines "Fazit für die Praxis" festzulegen.
Ist es das, was Sie unter seriöser Wissenschaft verstehen?
Welches Ergebnis würde wohl erfolgen, wenn in Untersuchungen "Zur Zufriedenheit gleichgeschlechtlich empfindenter Menschen" auch die Gruppe derer, die unter ihrer homosexuellen Neigung leiden einbezogen würden?
Oder ist das nicht möglich, weil nicht sein kann, was nicht sein darf?
(Im Übrigen glaube ich auch, dass die christlichen Wissenschaftler ihre Überzeugung nicht gänzlich aus ihrer Arbeit heraushalten können. Aber die einen als seriös und die anderen als Pseudowissenschaftler zu bezeichnen halte ich für hochgradig unfair und unredlich). Mit dieser Erkenntnis werde ich auch weiterhin die meiner KlientInnen respektieren, die ihre Gleichgeschlechtlichkeit bejahen und sie begleiten so gut ich kann und sie wollen, -und die anderen werde ich weiterhin gerne auf Wüstenstrom, das Weiße Kreuz oder OJC hinweisen.
Mit freundlichem Gruß
Gerhard Oerter

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Oerter,

Sie haben drei rhetorische Fragen gestellt. Ich kann nicht erkennen, was Sie und ob Sie wirklich etwas von mir wissen wollen. Wenn Sie etwas über Wissenschaftlichkeit lernen wollen, rate ich Ihnen zu einem Universitätsstudium. Vielleicht liegt Ihnen ja Psychologie.

An den Methoden von Rauchfleisch können wir unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nichts finden, woran etwas auszusetzen ist. Vielleicht informieren Sie sich einmal über die Differenzen von qualitativen und quantitativen, repräsentativen Untersuchungen. Solange eine Studie transparent gegenüber ihren Methoden und daher der weiteren wissenschaftlichen Kritik und Diskussion gegenüber offen ist, weiß ich nicht, woran sich die Kritik entzünden soll.

Die Bundesregierung fasst den Forschungsstand zum Thema treffen zusammen: "Die Bundesregierung vertritt weder die Auffassung, dass Homosexualität einer Therapie bedarf, noch dass Homosexualität einer Therapie zugänglich ist. Homosexualität wird seit über 20 Jahren von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler aus Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie nicht als psychische Erkrankung angesehen.

Dementsprechend wurde die Homosexualität bereits im Jahre 1974 von der amerikanischen Psychiatervereinigung (APA) aus ihrem Diagnoseklassifikationssystem „Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen“ (DSM) und im Jahre 1992 aus dem Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (Internationale Klassifikation der Krankheiten, ICD) gestrichen. In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachwelt hat sich seither die Position durchgesetzt, dass die früher weit verbreitete psychoanalytische Auffassung von Homosexualität als pathologisch zu beurteilender Störung der psychosexuellen Entwicklung durch empirische Daten nicht gestützt wird.

Die vor allem in den 60er und 70er Jahren häufig angebotenen so genannten „Konversions“- oder „Reparations“-Therapien, die auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder der homosexuellen Orientierung abzielten, werden heute in der Fachwelt weitestgehend abgelehnt. Dies gründet sich auf die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen, nach denen bei der Mehrzahl der so therapierten Personen negative und schädliche Effekte (z. B. Ängste, soziale Isolation, Depressionen bis hin zu Suizidalität)auftraten und die versprochenen Aussichten auf „Heilung“ enttäuscht wurden. Für therapeutische Hilfen aus dem Bereich der so genannten affirmativen Therapien konnte dagegen ein Nutzen im Sinne einer geringeren Anfälligkeit bezüglich psychischer Erkrankungen nachgewiesen werden. Bei diesem Ansatz geht es um die unterstützende therapeutische Begleitung der Entwicklung der sexuellen Identität, die Integration der sexuellen Orientierung in das Selbstbild und die Stärkung des Selbstwertgefühls des Klienten.

Wenn so genannte Konversionstherapien durch Organisationen oder Gruppierungen angeboten und beworben werden, so können hier unterschiedliche, meist religiöse oder weltanschauliche Motive eine Rolle spielen, die sich einem empirisch-wissenschaftlichen Ansatz entziehen." (BT-Drs. 16/8022)

Wenn Sie ein seriöser Therapeut sein sollten, gehe ich eigentlich davon aus und hoffe ich inständig für Ihre Klienten, dass Sie Ihnen helfen, sich so anzunehmen, wie Gott sie geschaffen hat.

Mit freundlichen Grüßen

Büro Volker Beck