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Volker Beck
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Frage von Horst B. •

Frage an Volker Beck von Horst B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Beck,

Sie haben heute in den Medien Verständnis für die Entscheidung eines iranischen Fussball-Spielers geäussert, nicht gegen die israelische Fussball-Mannschaft in Israel antreten zu wollen. Hierzu habe ich einige Fragen an Sie:
Wie ist Ihr Verhältnis zum Staat Israel?
Hätten Sie nicht eher bekunden sollen, dass sich mit dieser Entscheidung der Iran, der offen mit der Vernichtung Israels droht, indirekt in die Belange der deutschen Politik einmischt?
Halten Sie nicht auch die Erklärung des iranischen Spielers, seine "Familie schützen" zu wollen, für vorgeschoben?
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang doppelte Staatsbürgerschaften und sind wir, wie dieses Beispiel zeigt, nicht zu Großzügig mit der Vergabe der deutschen Staatsangehörigkeit insbesondere in Hinblick auf unsere besonderen Beziehungen dem Staat Israel gegenüber?
Läuft die multikuturelle Gesellschaft nicht Gefahr, von bestimmten Kräften ausgehöhlt zu werden?
Wäre in diesem Zusammenhang nicht eine Leitkultur auf unserem griechisch-römisch-judäo-christlichen Kulturerbe besser für unsere Nachkommen?

Viele Grüße,

Horst Brede

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Brede,

einige Nachrichtenagenturen haben Herrn Becks Äußerung einseitig auf Herrn Becks Verständnis für die möglicherweise berechtigten Sorgen Herrn Dejagahs focussiert. Herr Beck hat gestern indes folgendes erklärt:

"Ein deutscher Nationalspieler muss ohne Wenn und Aber auch gegen eine Auswahl des Staates Israel auflaufen dürfen. Politische oder religiöse Einstellungen haben bei einer sportlichen Auseinandersetzung grundsätzlich außen vor zu bleiben. Das völkerverbindende Element des Sports steht im Vordergrund. Wenn Ashkan Dejagah oder seine Familie tatsächlich im Falle eines Einsatzes mit Repressionen durch den Iran rechnen muss, dann ist sein Wunsch zwar nachvollziehbar und legitim. Ob angesichts solcher Umstände für ihn dann aber eine Zukunft in der deutschen Nationalmannschaft noch angemessen ist, möchte ich bezweifeln."

Mit dieser Äußerung hat Herr Beck zum Ausdruck gebracht, dass es selbstverständlich zu respektieren ist, wenn ein Spieler deswegen 90 Minuten nicht gegen den Ball treten will, weil ihm oder seinen Angehörigen daraus schwerwiegende Nachteile entstehen können. Da der Iran seinen Staatsbürgern sportliche Wettkämpfe mit Israel verbietet, sind derartige Nachteile nicht völlig von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite ist Herr Beck jedoch auch der Überzeugung, dass es sich nicht sein kann, dass sich ein deutscher Nationalspieler - gleich welcher Herkunft und auch unabhängig davon, ob dieser noch - zeitweise - über andere Staatsangehörigkeiten verfügt - weigert, sich gegen eine Mannschaft aus Israel zu spielen. In der Tat darf es nicht so sein, dass das Unrechtsregime des Iran auf diese Weise Einfluß auf die deutsche Nationalmannschaft nehmen kann.

Bei Ihrer Frage, ob "eine Leitkultur auf unserem griechisch-römisch-judäo-christlichen Kulturerbe besser für unsere Nachkommen" ist, sehe ich zum einen den Zusammenhang mit dem Fall Dejagah nicht. Zum anderen halte ich grundsätzlich bereits die Verwendung des Begriffs "Leitkultur" für verfehlt, da dieser immer die Überlegenheit einer Kultur gegenüber einer anderen suggeriert und damit als Rechtfertigung für Diskriminierungen dienen kann.

Zum Aspekt: Staatsangehörigkeit nur folgendes: Das noch aus dem Kaiserreich stammende deutsche Staatsangehörigkeitsrecht haben wir zu Beginn der rot-grünen Koalition von Grund auf reformiert: Entscheidend für die deutsche Staatsangehörigkeit ist seither entweder die Herkunft der Eltern oder der Ort der Geburt. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten somit automatisch mit der Geburt einen deutschen Pass, sofern sich zumindest ein Elternteil acht Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat.

Diese Reform hat staatspolitisch eine enorme und langfristige Wirkung. Denn sie verändert unser Verständnis darüber, wer Deutsche bzw. Deutscher ist. Deutschland hat sich damit dem republikanischen Staatsbürgerschaftsverständnis angepasst, das uns in vielen anderen EU-Ländern schon seit langem vorgelebt wird. Unsere Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes war ein entscheidender gesellschaftspolitischer Fortschritt. Wir schlagen einen gesellschaftlichen Integrationsvertrag vor, mit dem wir MigrantInnen neue Angebote machen und sie zugleich dazu bringen, ihren Teil zur Entwicklung des Landes beizutragen. Dazu müssen wir die Einbürgerungspolitik weiterentwickeln. Denn wir haben in Deutschland nicht zu viele, sondern im internationalen Vergleich immer noch zu wenige Einbürgerungen. Deshalb haben wir 2006 einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt, der folgende Kernpunkte umfasst:

• Die Fristen für die Einbürgerung werden von acht auf sechs Jahre verkürzt.
• Ein Kind soll bei einer Geburt im Inland auch dann schon Deutsche oder Deutscher sein, wenn sein Vater oder seine Mutter eine Niederlassungserlaubnis besitzt – egal, wie lange er oder sie hier lebt.
• Die doppelte Staatsbürgerschaft wollen wir grundsätzlich zulassen. Übergangsweise sollten zumindest EU-BürgerInnen, SchweizerInnen und Angehörige bestimmter, besonders eng assoziierter Staaten wie der Türkei generell die Möglichkeit haben, ihre alte Staatsangehörigkeit zu behalten. Zudem sollte klargestellt werden, dass ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Wiederannahme einer anderen Staatsangehörigkeit erst nach einer entsprechenden Behördenfeststellung wirksam werden kann – TürkInnen war in den letzten Jahren massenhaft ihre deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden.
• Eine möglicherweise rechtswidrige Einbürgerung soll nur binnen fünf Jahren widerrufen werden können. Das gebietet insbesondere die Sorge um das Schicksal etwaiger Kinder.
• Schutzbedürftige Gruppen wie beispielsweise Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention brauchen einen verbesserten Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Ein Einbürgerungsantrag von Flücht-lingen darf nicht – wie bisher in Deutschland üblich – zum Anlass genommen werden, die Anerkennung als Flüchtling zu überprüfen.

Mit freundlichen Grüßen
RA Hasso Suliak (pers.Referent Volker Beck)